Innovative Ansätze: Wie Großbritannien Morde vorhersagen möchte
Können Morde verhindert werden, bevor sie geschehen?

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LIFESTYLE Kriminalität
Die britische Regierung hat bestätigt, dass es ein Programm zur "Vorhersage von Morden" gibt. Recherchen der britischen Bürgerrechtsbewegung "Statewatch" zeigen, dass dabei die Daten von Tausenden Menschen analysiert werden – angeblich, um zukünftige Tötungsdelikte zu verhindern. Das Justizministerium betont, dass das System nur zu Forschungszwecken eingesetzt wird. Trotzdem gibt es kritische Stimmen und offene Fragen.
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Das Programm
Die britische Regierung arbeitet an einem Programm zur "Mordvorhersage", um Menschen zu identifizieren, die in Zukunft mit höchster Wahrscheinlichkeit einen Mord begehen werden.

Wie wird dies erreicht?
Dies soll durch die Analyse personenbezogener Daten von Menschen erreicht werden, die den Behörden bereits bekannt sind, um vorherzusagen, ob sie zu Mördern werden.

Der Prozess
Angeblich werden Tausende Menschen von Algorithmen analysiert, die von Forschenden entwickelt wurden.

Ursprünglicher Name
Ursprünglich hieß das Projekt "homicide prediction project", zu Deutsch: "Projekt zur Vorhersage von Mordfällen". Später wurde der Name jedoch in "sharing data to improve risk assessment", zu Deutsch: "Datenaustausch zur Verbesserung der Risikobewertung", geändert.

Wie die Informationen erlangt wurden
Die britische Bürgerrechtsgruppe Statewatch bekam die Informationen von der Regierung durch Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, das die Veröffentlichung mancher Regierungsdaten erlaubt.

Welche personenbezogenen Daten werden verwendet?
Laut Statewatch werden nicht nur die persönlichen Daten von Personen analysiert, die gegen das Gesetz verstoßen haben. Auch Opfer von Straftaten werden erfasst.

Welche personenbezogenen Daten werden verwendet?
Das britische Justizministerium (MoJ) bestritt dies jedoch und betonte, dass nur Personen mit einem oder mehreren Vorstrafen in das Projekt einbezogen würden.

Forschung
Das britische Justizministerium erklärte, das Projekt werde "ausschließlich zu Forschungszwecken durchgeführt."

Voreingenommenheit?
Während die britische Regierung darauf besteht, dass das Projekt ausschließlich Forschungszwecken dient, argumentieren GegnerInnen, dass die Daten ethnische Minderheiten und Menschen aus armen Verhältnissen ungerechterweise ins Visier nehmen könnten.

Erklärung des Justizministeriums
Laut dem britischen Justizministerium werden im Rahmen des Programms "Tätermerkmale überprüft, die das Risiko der Begehung eines Mordes erhöhen."

Erklärung des Justizministeriums
Das Programm wird außerdem "alternative und innovative datenwissenschaftliche Techniken zur Risikobewertung von Tötungsdelikten erforschen."

Erklärung des Justizministeriums
Ein Sprecher des Justizministeriums fügte hinzu, das Projekt werde "Anhaltspunkte für eine bessere Risikobewertung schwerer Straftaten liefern und letztlich durch bessere Analysen zum Schutz der Öffentlichkeit beitragen."

Wer hat das Projekt in Auftrag gegeben?
Das Projekt wurde vom Büro des Premierministers in Auftrag gegeben, als Rishi Sunak Premierminister war.

Welche Daten werden verwendet?
Es werden Kriminalitätsdaten aus verschiedenen offiziellen Quellen verwendet. Das Justizministerium erklärte, das Projekt sei "auf der Grundlage vorhandener Daten des britischen Gefängnis- und Bewährungsdienstes und der Polizei konzipiert worden."

Welche Daten werden verwendet?
Zu den verarbeiteten Daten zählen Name, Geburtsdatum, Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit sowie eine polizeiliche nationale Computer-Identifikationsnummer.

Welche Daten werden verwendet?
Es werden ausschließlich Daten verurteilter StraftäterInnen ausgewertet. Das britische Justizministerium erklärt, die Daten würden dazu beitragen, "das Risiko schwerer Gewalttaten von Personen auf Bewährung besser zu verstehen."

Bewährungsdaten
Der Bewährungsdienst sammelt Daten, die für das Projekt relevant sein können, darunter Informationen zu Motivation, Bedürfnissen und Risiken der Insassen sowie Vorfallaufzeichnungen, Warnmeldungen und Informationen zur Haft.

Wie aktuell sind die Daten?
Laut Justizministerium werden bei der Untersuchung nur diejenigen berücksichtigt, die vor dem 1. Januar 2015 mindestens eine Verurteilung hatten.

Datenaustausch
Statewatch behauptete, dass Daten von unschuldigen Menschen (zumindest) aus dem Großraum Manchester verwendet werden. Dies liege daran, dass zwischen dem Justizministerium und der Polizei im Großraum Manchester eine Vereinbarung zum Datenaustausch bestehe.

Datenaustausch
In einem Abschnitt mit der Überschrift "Art der von der Polizei an die Regierung weiterzugebenden personenbezogenen Daten" werden mehrere Kategorien strafrechtlicher Verurteilungen aufgeführt, darunter das Alter, in dem jemand zum ersten Mal Opfer wurde (einschließlich Fälle häuslicher Gewalt), und das Alter, in dem er zum ersten Mal mit der Polizei in Kontakt kam.

Datenaustausch
In der Vereinbarung zur Datenfreigabe gibt es einen weiteren Abschnitt zu "besonderen Kategorien personenbezogener Daten", in dem es heißt, dass "Gesundheitsmarker, von denen erwartet wird, dass sie eine signifikante Vorhersagekraft haben", weitergegeben werden können.

Datenaustausch
Hierzu zählen Daten zu psychischen Problemen, Sucht, Verletzlichkeit, Selbstverletzung und Behinderungen.

"Erschreckend und dystopisch"
Sofia Lyall, eine Forscherin von Statewatch, bezeichnete das Programm als "das jüngste erschreckende und dystopische Beispiel für die Absicht der Regierung, sogenannte Vorhersagesysteme für Kriminalität zu entwickeln."

Wie geht es weiter?
Das Justizministerium teilte mit, dass "zu gegebener Zeit ein Bericht veröffentlicht wird."

Wurde das schon einmal gemacht?
Tools zur Kriminalitätsvorhersage sind nichts Neues, bisher jedoch erfolglos. Ein Beispiel dafür ist "CrimeRadar", dessen Ziel es war, die Kriminalität in Rio de Janeiro während der Olympischen Spiele zu kartieren und vorherzusagen.

Die Zukunft
Software für die vorausschauende Polizeiarbeit ist bereits Realität, spielt jedoch bei der Strafverfolgung noch keine entscheidende Rolle.

Die Zukunft
Mit den Fortschritten in der KI dürften künftig ausgefeiltere Instrumente zur Kriminalitätsprognose entwickelt werden. Ihre Wirksamkeit bleibt abzuwarten.
Quellen: (The Guardian) (Euronews) (Bloomberg)
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