Wien, die elegante Hauptstadt Österreichs ist mehr als nur die Stadt der Musik und Kultur. Hinter der gehobenen Fassade versteckt sich ein dunkles Geheimnis: Die Stadt ist eines der bedeutendsten Zentren für Spionage in Europa. Durch ihren neutralen Status und die strategische Lage zieht die Stadt Wien Geheimdienste aus aller Welt an.
Nach Angaben von Bloomberg befinden sich unter den fast 17.000 akkreditierten Diplomaten in der Stadt schätzungsweise 7.000 Geheimagenten.
Aber wie kam es dazu? Lesen Sie weiter, um mehr über die Geheimnisse dieses modernen Verstecks für Spione zu erfahren.
Wien, die Hauptstadt Österreichs ist sowohl schön als auch sicher. Ihre reiche Geschichte, Opern von Weltklasse, gemütlichen Kaffeehäusern, bekannten Museen und Verbindungen zu Persönlichkeiten wie Freud und Mozart ziehen zahlreiche Besucher an.
In den letzten 20 Jahren hat Wien jedoch einen etwas ominöseren Ruf bekommen. Politische Führungskräfte und Abgeordnete haben angedeutet, dass die Stadt zu einer Brutstätte für ausländische Spionage geworden ist.
Schätzungsweise befinden sich derzeit Hunderte Spione in der Stadt im Einsatz. Sie kommen aus allen Teilen der Welt, besonders aus Staaten, die eine deutliche gegen den Westen gerichtete Politik fahren. Aber wie kam es dazu?
Wiens dunkle Seite kam nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Die Stadt war voller Schwarzmarkthändler und wurde während des Kalten Krieges zu einem Zentrum für Spionage. Klassische Filme wie "Der dritte Mann" (1949) inspirierten sich am Erbe der Machenschaften in der Stadt.
Der Grund dafür liegt in Österreichs Historie der Neutralität und den daraus folgenden schwachen Gesetzen zu Spionage und Spionageabwehr.
Wien beherbergt zahlreiche wichtige internationale Nichtregierungsorganisationen, wie die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und Teile der Vereinten Nationen. Als demokratisches Land wird Österreich im Allgemeinen nicht als Bedrohung für den Westen wahrgenommen, dank der gemeinsamen Werte.
Österreich behält jedoch auch seine Neutralität gegenüber Staaten bei, die als anti-westlich angesehen werden. Diese Neutralität bedeutet, dass das Land die Aktivitäten dieser Staaten nicht behindert, auch nicht, wenn sie innerhalb der eigenen Grenzen stattfinden.
Österreich gehört zu den wenigen EU-Ländern, die eine geopolitische Neutralität beanspruchen. Diese Neutralität ist seit 1955 in der Bundesverfassung verankert, eine Forderung, die insbesondere von Russland gestellt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Österreich ein Jahrzehnt lang zwischen den Besatzungszonen von Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich aufgeteilt. Diese Teilung, die größtenteils durch sowjetischen Einfluss gestaltet wurde, war das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Besatzungsmächten.
Anders als Deutschland, das nach dem Krieg klar geteilt wurde, wurde Österreich zu einem neutralen Pufferstaat zwischen dem Westen und der Sowjetunion. Diese Regelung passte allen Beteiligten, besonders österreichischen Nationalisten, die die Unabhängigkeit forderten.
Stalin fürchtete ein mit dem Westen verbündetes Österreich, weshalb er auf der strikten Neutralität bestand. Der Westen stimmte zu und die Neutralität Österreichs wurde in seiner Verfassung festgeschrieben, was militärische Allianzen und ausländische Militärbasen im Staatsgebiet verbot.
Aber wie entwickelte sich ein neutrales Land zu einem Anlaufpunkt für Spione? Die Antwort auf diese Frage steckt in einem Schlupfloch in den Spionageabwehrgesetzen.
Österreich behält seine Neutralität größtenteils bei, da Gesetze die Ansiedlung von ausländischen Geheimdiensten auf Staatsgebiet verbieten. Ein zentrales Schlupfloch ermöglicht jedoch, dass diese dort operieren, solange ihre Aktivitäten Österreich nicht direkt schaden.
Österreichs geringe Maßnahmen zur Spionageabwehr haben laut dem ehemaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zu einem großen Zustrom an ausländischen Geheimdiensten geführt. Der lockere Ansatz macht Österreich zu einer von Europas spionfreundlichsten Nationen.
Ein ranghoher westlicher Geheimdienstmitarbeiter schätzt, dass mehr als 180 russische Diplomaten in Wien eigentlich Geheimdienstler sind. Wahrscheinlich agieren viele weitere russische Agenten illegalerweise und nutzen die lockeren Antispionagemaßnahmen von Österreich aus.
Auch wenn die Agenten aus China, dem Iran, Russland und der Türkei für die österreichischen Behörden die größte Sorge zu sein scheinen, haben auch andere Nationen wie die USA Berichten zufolge eine bedeutende Geheimdienstpräsenz in Wien, mit schätzungsweise 80 amerikanischen Spionen in der Stadt.
Manche argumentieren, dass Österreichs neutraler Status fair ist, da er allen Ländern, egal ob Freund oder Feind, erlaubt innerhalb der Grenzen zu agieren. Diese offene Politik befördert zwar womöglich Spionage, sichert jedoch Neutralität und verhindert bei globalen Konflikten Stellung zu beziehen.
Russland zieht den größten Nutzen aus der lockeren Umgebung für Spione in Wien. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist Russlands Einfluss auf Europa deutlich gesunken, da ehemalige Satellitenstaaten größtenteils westlichen Institutionen beigetreten sind.
Anfangs machte sich Russland noch wenig Sorgen über diesen Rückgang. Unter der Präsidentschaft von Wladimir Putin wurde jedoch die Osterweiterung der NATO als Bedrohung für russische Interessen in Europa betrachtet.
Infolge der Invasion Russlands in die Ukraine haben europäische Länder über 400 russische Spione ausgewiesen, die unter dem Deckmantel der Diplomatie operiert haben. Im Gegensatz dazu hat Österreich nur vier ausgewiesen.
Laut dem österreichischen Historiker Thomas Riegler ist die Hauptaufgabe für russische Geheimdienste in Wien die Sammlung von Informationen.
Riegler weißt auf die zahlreichen Satellitenschüsseln auf den Gebäuden der russischen diplomatischen Missionen als Beweis für diese starke Überwachung hin.
Laut Journalisten und Medienanalysten lassen sich die Spionageziele des Kremls in Wien in drei Hauptkategorien einteilen.
Von Wien aus haben es die russischen Spione auf ehemalige sowjetische Staaten wie die Ukraine, Moldawien, Georgien und die baltischen Staaten abgesehen. Das Spionagenetzwerk versucht mögliche Gebietserweiterungen zu unterstützen oder russische Minderheiten in diesen Regionen zu schützen.
Dazu gehören Länder wie Ungarn, die Slowakei und Bulgarien, die derzeit mit Moskau übereinstimmen oder möglicherweise beeinflusst werden können. Anders als die ehemaligen Sowjetrepubliken wurden diese Länder historisch nicht als russisches Gebiet betrachtet.
Auch wenn Westeuropa und Skandinavien nicht die Hauptziele des russischen Einflusses sind, kann Spionage in diesen Regionen Russland dennoch nützen, indem die Grundlagen für zukünftige Operationen geschaffen und Informationen gesammelt werden.
Kürzlich war Österreich mit dem größten Spionageskandal seit Jahrzehnten konfrontiert. Im März 2024 wurde der ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott aufgrund des Verdachts der Spionage für Russland festgenommen.
Ein aktueller Bericht von einer Gruppe von europäischen Zeitungen beschuldigt Ott 2014 von russischen Agenten rekrutiert worden zu sein. Die österreichische Polizei ist der Meinung, dass Ott vom ehemaligen CEO von Wirecard beauftragt worden war, ab 2017 sensible Informationen an Russland weiterzugeben.
Ott steht außerdem unter dem Verdacht die Adresse des bulgarischen Journalisten Christo Grozev in Wien illegal bekommen zu haben, der für seine Berichterstattung zu Geheimdienstaktivitäten von Russland bekannt ist, darunter auch die Vergiftung des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Navalny.
2023 schlug die liberale Partei NEOS die Kriminalisierung von Spionage gegen ausländische Staaten und internationale Organisationen vor. Die österreichische Regierung blockierte jedoch die Abstimmung zum Thema zwei Mal und begründete dies mit der Notwendigkeit von weiteren bürokratischen Beratungen.
Der kürzliche Wahlsieg der rechtskonservativen FPÖ bei den Wahlen im September 2024 hat Hoffnungen auf eine Gesetzesverschärfung gegen Spionage in weite Ferne rücken lassen, da die Partei für ihre Verbindung mit Putins Partei Vereintes Russland bekannt ist.
Quellen: (The Wall Street Journal) (Bloomberg) (Financial Times) (BBC) (Versed YouTube)
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