Das Buch "72 Minuten bis zur Vernichtung: Atomkrieg – Ein Szenario" von Annie Jacobsen aus dem Jahr 2024 dreht sich um die katastrophale Realität eines totalen Atomkriegs. Das Buch kritisiert nukleare Abschreckung und stellt die Risiken von Fehlern und der wachsenden Bedrohung durch Staatschefs wie Kim Jong Un heraus. Und doch stellt Jacobsen inmitten von düsteren Vorhersagen auch historische Wendepunkte heraus, wie Ronald Reagans Schritt zur Abrüstung, die einen Hoffnungsschimmer bieten, um die Zerstörung der Welt zu verhindern.
Sehen Sie sich diese Galerie an, um zu erfahren, wie uns Jacobsens gruseliges Szenario dazu zwingt, uns mit den Atomrisiken von heute auseinanderzusetzen und welche Entscheidungen uns noch retten könnten.
Annie Jacobsen ist renommierte Investigativ-Journalistin und Autorin, die 2016 für den Pulitzerpreis nominiert wurde. Neben dem Schreiben arbeitet sie außerdem fürs Fernsehen und produzierte gefeierte Serien wie "Tom Clancy's Jack Ryan" für Amazon Studios und "Clarice" für CBS.
Ihr Buch "72 Minuten bis zur Vernichtung" erzählt lebhaft vom Verlauf eines Atomkriegs. Das packende Drama umfasst die 72 Minuten vom ersten Abschuss bis zum Einschlag und wirft außerdem einen Blick über Jahrhunderte und gibt einen düsteren Blick auf die Auslöschung der Menschheit.
Jacobsen hatte die Idee für "72 Minuten bis zur Vernichtung" während der Coronapandemie, als sie zur Spanischen Grippe von 1918 recherchierte. Die Parallelen zwischen den beiden Katastrophen, deren Wiederauftreten für unwahrscheinlich gehalten wurde, erweckten ihre Neugier für die menschlichen Zerstörungsmöglichkeiten in der modernen Welt.
Ein Atomkrieg, der einst für unwahrscheinlich erklärt wurde, gilt heute erneut als weltweite Bedrohung. Jahrzehnte nach dem Kalten Krieg drohen Staatschefs nun mit Waffen, die katastrophale Kettenreaktionen auslösen können, was die Ängste aus Christopher Nolans "Oppenheimer" (2023) laut werden lässt.
Laut Jacobsens Buch ist die Möglichkeit einer Zerstörung nur eine Frage der Zeit. Trotz dieser düsteren Prognose betont Jacobsen, dass der Zweck des Buches sei, für Dialog zu sorgen und dazu beizutragen, eine solch katastrophale Zukunft zu verhindern.
Das Konzept des "Gleichgewicht des Schreckens" untermauert eine kontroverse Vorstellung: Atomwaffen könnten trotz ihrer zerstörerischen Kraft einen dritten Weltkrieg verhindert haben. Indem sie ein Gleichgewicht in der Zerstörungskraft hergestellt haben, könnten sie tatsächlich als Abschreckung gegen einen weltweiten Konflikt gewirkt haben.
Einige halten die Zurückhaltung der Menschheit in den Jahrzehnten seit Hiroshima und Nagasaki als Beweis für die Abneigung gegen die eigene Zerstörung. Trotz des Besitzes apokalyptischer Waffen haben die Atommächte solche Zerstörungen vermieden, was die Vorsicht in den Gedanken widerspiegelt.
Jacobsen stellt die herkömmlichen Ansichten zu nuklearer Abschreckung infrage. Sie erkennt zwar die Rolle in der Vermeidung eines Weltkrieges an, drängt jedoch auf neue Perspektiven, da das Konzept zu einer Zeit entstand, in der es nur zwei Atommächte gab: die USA und die UdSSR.
Derzeit besitzen neun Länder Atomwaffen und falls der Iran diese entwickelt, steigt die Zahl auf zehn, von denen jedes eine bedeutende Bedrohung darstellt. Jacobsen warnt, dass die Zurückhaltung in der Vergangenheit keine Sicherheit für die Zukunft bedeutet und betont die Notwendigkeit, angesichts der wachsenden Bedrohung zu handeln.
Von Nordkoreas Raketenstarts bis zu Donald Trumps Kontakt mit Kim Jong Un und Putins Atomwarnungen inmitten des Kriegs in der Ukraine, sind sich Fachleute weltweit einig, dass wir der Katastrophe näher sind als während der Kubakrise.
"Wie der Generalsekretär der Vereinten Nationen sagte, sind wir eine Fehleinschätzung, ein Missverständnis entfernt von einer atomaren Vernichtung", sagt Jacobsen.
In der atomaren Kriegsführung können Fehleinschätzungen schwere Folgen haben. Der sowjetische Oberstleutnant Stanislaw Petrow erlebte dies 1983 am eigenen Leib, als ein Frühwarnsystem fälschlicherweise den Abschuss von fünf Minuteman-Interkontinentalraketen aus den USA in Richtung Sowjetunion angab.
Laut den militärischen Vorgaben hätte der sowjetische Oberstleutnant Petrow die Zeichen für einen bevorstehenden Angriff der USA weitergeben müssen, wodurch er einen Gegenschlag riskiert hätte. Er widersetzte sich den Befehlen und entschied sich zunächst dafür, die Warnungen zu verifizieren, wodurch er letztlich bestätigen konnte, dass es sich um einen Fehlalarm handelte und verhinderte so eine mögliche Atomkatastrophe.
Atommächte nutzen mehrere Systeme, um zu verhindern, dass aufgrund eines einzigen Signals oder einer einzigen Entscheidung Raketen abgeschossen werden. Dennoch ist kein System absolut sicher. Sogar mit diesen Vorkehrungen können bei der Unterscheidung eines echten Angriffs von einem Fehlalarm Fehler unterlaufen, was Raum für katastrophale Fehleinschätzungen lässt.
Die Politik der USA besagt, dass ein Atomschlag gestartet werden soll, sobald ein Frühwarnsystem einen bevorstehenden Angriff erkennt. So wird vermieden, dass man selbst von einem Atomangriff getroffen wird, bevor zurückgeschlagen werden kann, und der Angreifer wird sofort nach der Erkennung der Bedrohung ins Visier genommen.
Das US-Verteidigungsministerium stellt klar, dass man nicht vollkommen auf einen Abschuss nach Angriff angewiesen ist, sondern sich die Möglichkeit vorbehält, bevor man selbst angegriffen wurde, einen Atomwaffenangriff vorzubereiten und auszuführen. Auch wenn es sich nur um eine Möglichkeit handelt, ist dieser Ansatz stark umstritten.
Jacobsens "72 Minuten bis zur Vernichtung" sticht vor allem dadurch hervor, dass betrachtet wird, wie ein Atomkrieg aussehen würde und nicht, warum es dazu kommen könnte. Um ihr Szenario möglichst realitätsgetreu zu machen, sprach sie mit Fachleuten und untersuchte, welches Land oder welcher Staatschef möglicherweise den ersten Schritt gehen könnte.
Unter den Antworten sticht die von Richard Garwin hervor. Der Physiker, dessen Arbeit zur Erfindung der Wasserstoffbombe beitrug, dachte an die immense Kraft einer Waffe, die so zerstörerisch ist, dass eine Atombombe zu ihrer Detonation nötig ist.
Garwin, eine herausragende Persönlichkeit in der Nuklearwissenschaft, hat seit Eisenhower alle US-Präsidenten zu Atomwaffen beraten. Als Annie Jacobsen ihn zum wahrscheinlichsten Atomszenario befragte, war seine kühle Antwort: "Der verrückte König".
Auch wenn es tröstlich scheint, dass Staats- und Regierungschefs ihr Erbe einer nuklearen Zerstörung vorziehen, ist die Realität nicht ganz so einfach. Sowohl auf psychologischer als auch ideologischer Ebene können der Selbsterhalt und die Fähigkeit zur Zerstörung der Welt nebeneinander existieren, was für ein beunruhigendes Paradoxon sorgt.
Adolf Hitler soll Berichten zufolge gesagt haben: "Wir können untergehen, aber wir werden eine Welt mitnehmen." Er hatte zwar damals nicht die Mittel für eine Zerstörung der Welt, aber die heutigen Weltführer haben sie, was Fragen zu ihren Absichten aufwirft.
In ihrem Buch sieht Jacobsen den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un als Garwins "verrückten König". Sie ist der Meinung, dass sein sprunghafter Führungsstil ein bedeutendes Risiko darstellt und betont die erschreckende Wahrheit, dass, wenn ein Atomkrieg beginnt, alle herkömmlichen Regeln nicht mehr gelten.
Für Atomtests gelten zwar bestimmte Regeln, wie etwa die Benachrichtigung der Nachbarländer, um zu verhindern, dass die Starts als Angriffe missverstanden werden, doch In Zeiten erhöhter Spannungen sind diese besonders wichtig. Zu Beginn des Ukraine-Krieges verschoben sowohl Amerika als auch Russland geplante Tests, um eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden.
Während der 18 Monate, in denen Jacobsen "72 Minuten bis zur Vernichtung" schrieb, hat Nordkorea über 100 Raketen gestartet, ohne dies vorher anzukündigen, was einen eklatanten Verstoß gegen die Normen für Atomtests darstellt. Jacobsen beschreibt diese alarmierende Unvorhersehbarkeit als Verhalten eines "verrückten Königs".
Trotz der düsteren Realitäten, die in Jacobsens Buch beschrieben werden, gibt sie die Hoffnung nicht auf, dass ein Atomkrieg verhindert werden kann. Sie führt dies bis auf Ronald Reagan zurück, dessen Führung wichtige Erkenntnisse zur Abwendung einer solchen Katastrophe bietet.
Einen Hoffnungsschimmer sieht Jacobsen in Reagans 180-Grad-Wende zum Thema Atomwaffen. Ursprünglich ein entschiedener Befürworter der nuklearen Aufrüstung, änderte sich die Sichtweise von US-Präsident Reagan dramatisch, nachdem er den Fernsehfilm "The Day After – Der Tag danach" (1983) gesehen hatte, in dem die Folgen eines Atomkriegs dargestellt wurden.
"The Day After" schilderte die düsteren Folgen eines Atomkriegs zwischen der Sowjetunion und den USA. Trotz des Widerstands seines Kabinetts sah sich Reagan den Film an, dessen Darstellung ihn zutiefst erschütterte; in seinem Tagebuch notierte er, dass er deprimiert war.
Reagan wandelte seine Verzweiflung in Taten um und wandte sich an Michail Gorbatschow, den letzten Staatspräsidenten der Sowjetunion. Ihr Treffen markierte einen Wendepunkt: Der weltweite Bestand an Atomwaffen wurde von einem Höchststand von 60.000 Sprengköpfen im Jahr 1986 auf heute etwa 12.000 reduziert.
Jacobsen stellt sich eine weitere 180-Grad-Wende vor, die durch globale Zusammenarbeit und die kollektive Erkenntnis der Gefahren eines Atomkriegs angetrieben wird. Solche Bemühungen könnten die Menschheit von ihrem derzeitigen Kurs abbringen und Hoffnung auf eine sicherere Zukunft für alle geben.
Quellen: (The Guardian) (Big Think) (Arms Control Association)
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