Tolkien-Fans diskutieren seit langem die kuriose Theorie, dass Mittelerde, ein Reich voller Hobbits, Elben und Orks, nicht völlig fiktiv ist. Einige behaupten, es sei die Erde selbst, nur in prähistorischen Zeiten vor dem so genannten "Zeitalter des Menschen", ein Ausdruck, der vom Historiker Dan Carlin in seinem Podcast populär gemacht wurde.
Auch wenn die Ursprünge dieser Idee unklar bleiben, könnte sie auf Tolkien selbst zurückgehen, der sich Mittelerde als eine englische Mythologie vorstellte, die es mit der der Griechen oder Isländer aufnehmen konnte. Die Theorie gewann nach einer Vorlesung der Universität Oxford aus dem Jahr 2022 mit dem Titel "On Hobbits and Hominins" an Bedeutung. Der Professor für viktorianische Literatur John Holmes hat sich mit den Archäologen Rebecca Wragg Sykes und Tom Higham zusammengetan, um verblüffende Parallelen zwischen Tolkiens Ethnien – Zwerge und Hobbits – und uralten Homininenarten, die einst unsere Erde durchstreiften, zu untersuchen.
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Trotz seiner überragenden Leistungen wird Tolkien von der Literaturkritik oft übersehen. Fantasy als Genre wird immer noch häufig als reine Unterhaltung abgetan, anstatt als ernsthafte Literatur gefeiert zu werden.
Obwohl Mittelerde ein fiktives Reich ist, ist es nicht frei von Bezügen zur Realität. Wie Tolkien im Vorwort zu "Der Herr der Ringe" bemerkte: "Ein Autor kann natürlich nicht völlig unbeeinflusst von seinen Erfahrungen bleiben."
Tolkien-Fans wissen, dass die Abenteuer in "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" nur einen Bruchteil der gewaltigen Geschichte von Mittelerde abdecken. Von seiner Erschaffung in "Das Silmarillion" bis zu den epischen Sagen des Ersten und Zweiten Zeitalters ist Mittelerde eine Schatztruhe voller Mythen und Legenden.
Mittelerde ist nur ein Fragment von Arda, einem Planeten, der von göttlichen Wesen geformt wurde, die weit von der Zeit entfernt sind, in der sich die Wege von Urmenschen und Neandertalern kreuzten.
Einige Interpretationen gehen davon aus, dass die Regionen Mittelerdes in "Der Herr der Ringe" Schlüsselmomente der englischen Geschichte widerspiegeln, da Tolkiens tiefe Verbundenheit mit dem englischen Erbe die Landschaften und Kulturen in seiner fantastischen Welt geprägt haben könnte.
Das Auenland ist das deutlichste Abbild von England in Tolkiens Mittelerde. Der aus dem Altenglischen stammende Begriff "Shire" (im Deutschen "der Gau, die Grafschaft") ist auch heute noch Teil der Verwaltungsgeografie Großbritanniens und findet sich in Namen wie Oxfordshire.
Mit seinen sanften grünen Hügeln, malerischen Dörfern und bekannten Nachnamen wie Banks, Boffins und Brandybucks (in der deutschen Übersetzung Bolger, Boffin und und Brandybock) spiegelt das Auenland den Charme der englischen Landschaft wider.
Die Geschichte des Auenlandes spiegelt die frühe germanische Besiedlung Großbritanniens wider. Die Hobbit-Clans – Stoors, Harfoots und Fallohide, bzw. Starren, Harfüßen und Falbhäute – sind Parallelen zu den Angeln, Sachsen und Jüten, die im 5. Jahrhundert n. Chr. aus Norddeutschland und Dänemark nach Großbritannien kamen.
Sowohl in Mittelerde als auch in der Geschichte wurden die Wanderungen von Brüdern mit Pferdenamen angeführt; Tolkiens Marcho und Blanco leiten sich vom keltischen "marka" und dem altenglischen "blanca" ab.
Auf der Erde hinterließen Hengist und Horsa, die Anführer der Jüten, ihre Spuren, wobei Hengist der erste König von Kent wurde.
Tolkien zieht eine weitere Parallele: So wie die Kelten vor den Germanen England bewohnten, deutet er an, dass das Auenland nicht immer ein Hobbit-Revier war.
"Das Land", schrieb Tolkien, "war reich und freundlich, und obwohl es lange verlassen war ... war es früher gut bewirtschaftet worden; und der König hatte dort einst viele Höfe, Kornfelder, Weinberge und Wälder gehabt."
In "Die zwei Türme" reisen Aragorn, Legolas und Gimli durch Rohan, ein Königreich der Pferdeherren. Gemeinsam verteidigen sie das Volk und die Ländereien gegen die drohende Gefahr durch Saruman.
Wenn das Auenland die frühe angelsächsische Einwanderung widerspiegelt, so symbolisiert Rohan das nächste Kapitel: eine einheitliche Kultur von Pferdeherren, in der sich zersplitterte Stämme zu einer zusammenhängenden politischen Einheit entwickelten, die die historische Konsolidierung Englands widerspiegelt.
Tolkien verankert Rohan fest in der frühmittelalterlichen Vergangenheit Englands, denn der sprachliche Teppich von Rohan ist vollständig aus Altenglisch gewebt, der Sprache der Angelsachsen vor der normannischen Eroberung.
Die Namen von Rohan verraten ihre altenglischen Wurzeln: Théoden bedeutet "König", Éored heißt übersetzt "Reitertruppe", und Meduseld, der majestätische Thronsaal, bedeutet "Met-Halle".
Wie Olivia Mathers vom Elizabethtown College feststellt, verkörpern die Rohirrim sowohl in ihrer Sprache als auch in ihrem Verhalten die Werte der angelsächsischen Kriegsdichtung, die an Ehre, Kameradschaft und Widerstandsfähigkeit erinnern, wie sie in der frühen englischen Literatur zu finden sind.
Die Kultur der Rohirrim spiegelt die angelsächsischen Werte von Familie, Loyalität und Mut wider. Sie streben nach Ehre im Leben und gedenken der Gefallenen, indem sie sie unter blumenbedeckten Gräbern begraben, was die Ehrfurcht vor der Tradition und die Verbundenheit mit dem Land widerspiegelt.
Aragorns Darstellung der Rohirrim als stolz, treuherzig und kühn spiegelt das idealisierte Bild der Angelsachsen wider: ehrenhaft in ihrem Handeln, mutig in ihrem Streben und weise trotz begrenzter formaler Bildung.
Tolkiens Bewunderung für Beowulf wird in "Die zwei Türme" deutlich. Im Gegensatz zu anderen Gelehrten vertrat er die Ansicht, dass das Gedicht auf etwa 700 n. Chr. zurückgeht, also in die Zeit der Christianisierung Englands.
Der Moment, in dem Aragorn und seine Gefährten Meduseld betreten, um König Théoden zu befreien, erinnert an Beowulfs Einzug in Heorot. In beiden Fällen geht es darum, die Wachen zu umgehen, um sich einer verderblichen Macht zu stellen – Gríma Schlangenzunge in Rohan und Grendel in Hrothgars Halle –, was Tolkiens literarische Hommage unterstreicht.
Während Rohan und das Auenland auf subtile Weise die Geschichte Englands widerspiegeln, weisen das bedrohliche Isengard und Mordor – die Machtzentren von Saruman und Sauron – unübersehbare Parallelen zur realen Welt auf.
Mordors feuriges Ödland steht in krassem Gegensatz zu Mittelerdes natürlicher Pracht. Isengard, einst eine Oase der Schönheit, erliegt Sarumans industriellen Ambitionen und wird zu einem weiteren Symbol für Umweltzerstörung und unkontrollierte Macht.
Die Industrialisierung von Isengard symbolisiert die Modernisierung des ländlichen Englands, das Tolkien so schätzte. Das Aufwachsen des Schriftstellers in einer ruhigen, ländlichen Landschaft hat seine Darstellung der bedrohten Schönheit von Mittelerde stark beeinflusst.
Tolkien stellt den zerstörerischen Kräften von Mordor und Isengard, die von Orks angetrieben werden, die die Natur ausbeuten, die harmonische Beziehung von Menschen, Elfen und Hobbits zu ihrer Umwelt gegenüber.
Hobbits werden nicht für ihren Genuss an Essen und Trinken bewundert, sondern für ihre Einfachheit, ihre Zufriedenheit und ihr friedliches, in Harmonie und Tradition verwurzeltes Leben.
Ihre Einfachheit macht sie einzigartig geeignet, den Verlockungen des Einen Rings zu widerstehen. Wo andere der Macht des Rings, die Welt umzugestalten, nachgeben könnten, ist Frodos einziger Wunsch, in sein friedliches Leben im Auenland zurückzukehren.
Tolkiens Werk legt eine Sehnsucht nach einfacheren Zeiten nahe, in denen die Engländer hobbitähnliche Werte wie Frieden, Bescheidenheit und Harmonie mit der Natur zurückgewinnen könnten. Auf diese Weise könnte das heutige England eher das idyllische Auenland verkörpern als das industrielle Ödland von Mordor.
Quellen: (Screen Rant) (Big Think) (History Hit)
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Tolkien-Fans diskutieren seit langem die kuriose Theorie, dass Mittelerde, ein Reich voller Hobbits, Elben und Orks, nicht völlig fiktiv ist. Einige behaupten, es sei die Erde selbst, nur in prähistorischen Zeiten vor dem so genannten "Zeitalter des Menschen", ein Ausdruck, der vom Historiker Dan Carlin in seinem Podcast populär gemacht wurde.
Auch wenn die Ursprünge dieser Idee unklar bleiben, könnte sie auf Tolkien selbst zurückgehen, der sich Mittelerde als eine englische Mythologie vorstellte, die es mit der der Griechen oder Isländer aufnehmen konnte. Die Theorie gewann nach einer Vorlesung der Universität Oxford aus dem Jahr 2022 mit dem Titel "On Hobbits and Hominins" an Bedeutung. Der Professor für viktorianische Literatur John Holmes hat sich mit den Archäologen Rebecca Wragg Sykes und Tom Higham zusammengetan, um verblüffende Parallelen zwischen Tolkiens Ethnien – Zwerge und Hobbits – und uralten Homininenarten, die einst unsere Erde durchstreiften, zu untersuchen.
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