Fahnenflucht: Die ultimative Pflichtverletzung
Seit der Antike schon verlassen Soldaten unerlaubt Ihre Posten
© <p>Public DomainGetty Images</p>
LIFESTYLE Desertion
Militärische Desertion gilt als eines der größten Verbrechen, dessen sich ein Soldat schuldig machen kann, und doch verlassen Soldaten schon seit der Antike ihre Einheiten. Jahrhundertelang wurde das unentschuldigte Verlassen des eigenen Postens, ohne der Absicht zurückzukehren, mit dem Tod bestraft. Man konnte aber auch ausgepeitscht, gebrandmarkt oder tätowiert werden, um sich für immer als Schurke, der seiner Uniform nicht würdig ist, zu kennzeichnen. Heute ist Fahnenflucht zwar selten, aber die Folgen sind immer noch schwerwiegend und enden in der Regel mit einer Geldstrafe, einem Gefängnisaufenthalt oder einer unehrenhaften Entlassung. Wer sind also die größten Pflichtverletzer der Geschichte?
Klicken Sie sich durch die Galerie und werfen Sie einen Blick auf diejenigen, die vom Schlachtfeld geflohen sind.
Desertion in der Antike
Desertion war nach römischem Militärrecht ein Verbrechen. In Kriegszeiten wurde die Fahnenflucht mit dem Tod bestraft, insbesondere wenn der Deserteur zum Feind überlief.
Die Black-Watch-Hinrichtung
Im Jahr 1743 wurden drei Mitglieder des schottischen Black-Watch-Regiments – Samuel McPherson, Malcolm McPherson, und Farquar Shaw – wegen Desertion beim Londoner Turm hingerichtet. Sie flohen von ihren Posten, weil sie befürchteten, dass das Regiment nach Nordamerika verlegt werden würde, um im sogenannten King George's War zu kämpfen, der Teil des in Europa tobenden Österreichischen Erbfolgekriegs war.
Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg
Zwischen 1776 und 1783, während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs, soll es 15.000 Fälle von Desertion durch britische Seeleute des nordamerikanischen Geschwaders gegeben haben. Im Bild: Landung der britischen Truppen in Boston.
Napoleonische Kriege
Desertion von britischen Soldaten während der Napoleonischen Kriege war weit verbreitet. Zwischen 1803 und 1815 gab es rund 77.696 Fälle von Fahnenflucht in der britischen Armee.
Der Sezessionskrieg
Fahnenflucht war auch während des Sezessionskriegs ein Problem. Rund 200.000 Soldaten verließen das Unionsheer.
Desertionen auf beiden Seiten
Über 100.000 Soldaten desertierten aus der Armee der konföderierten Staaten von Amerika. Desertion spielte für die Konföderation in den letzten beiden Jahren des Kriegs eine wichtige Rolle.
Newton Knight
Der berühmteste rebellische Fahnenflüchtige war Newtion Knight. Er war Anführer der Knight Company, einer Gruppe von Deserteuren der konföderierten Armee, die während des Konflikts Widerstand gegen die Konföderation leisteten. Durch die Heirat mit einer afroamerikanischen ehemaligen Sklavin brachte er seine früheren Auftraggeber noch mehr gegen sich auf. Zu den Filmen über Knights Heldentaten gehört "Free State of Jones" (2016) mit Matthew McConaughey in der Hauptrolle als umstrittener Abtrünniger.
Mark Twain
Bevor seine Schreibkarriere unter seinem Pseudonym "Mark Twain" begann, verließ Samuel Clemens seinen Posten in der konföderierten Armee, da er befürchtete, dass sein Beruf als Bootsführer von den Unionstruppen missverstanden werden könnte und er als Kapitän eines Kanonenboots eingesetzt werden würde.
Der Tod von John Barnett
Am 17. September 1862 wurde der Unionssoldat John Thomas Barnett von der 11. Pennsylvania-Kavallerie wegen Desertion und Straßenraub hingerichtet. Das Urteil wurde in Anwesenheit seines Regiments vollstreckt.
Der Erste Weltkrieg
Sowohl Großbritannien als auch Frankreich verfolgten im Ersten Weltkrieg eine strenge Haltung gegenüber Deserteuren, und viele wurden für ihre Taten hingerichtet. Das Bild zeigt einen Fahnenflüchtigen, der unter Eskorte abmarschiert, nachdem er vor den Augen seiner Kameraden degradiert wurde.
Umwandeltes Urteil
Trotz des Drucks der britischen Regierung und des Militärs weigerte sich die australische Regierung, Mitglieder der First Australian Imperial Force (AIF) wegen Desertion hinrichten zu lassen. Der Anteil der AIF-Soldaten, die Ihre Pflichten verletzten, war auch höher als bei anderen Streitkräften an der Westfront in Frankreich während des Ersten Weltkriegs.
Percy Topliss
Der Deserteur der britischen Armee, Percy Topliss, wurde während und nach dem Ersten Weltkrieg zu einer nationalen Angelegenheit. Er diente als Gefreiter im Royal Army Medical Corps, gab sich aber während seines Urlaubs regelmäßig als Offizier aus und trug ein Monokel. Obwohl er technisch gesehen nicht desertierte, verstieß Topliss dennoch gegen die strengen Armeevorschriften. Er war noch in der Armee, als er 1920 offiziell seinen Posten verließ und auf der Flucht einen Taxifahrer tötete. Bei seinem Fluchtversuch wurde er von der Polizei erschossen.
Französische Desertionen
Von 1914 bis 1918 wurden zwischen 600 und 650 französische Soldaten wegen Fahnenflucht hingerichtet. Auf diesem außergewöhnlichen Foto aus dem Jahr 1917 sieht man französische Fahnenflüchtige, wie sie auf die deutsche Frontlinie zulaufen.
Deutsche Desertionen
Ungefähr 150.000 deutsche Soldaten verweigerten ihre Pflichten während des Ersten Weltkriegs. Von den wenigen, die gefangen wurden, wurden nicht mehr als 18 hingerichtet.
Flucht in ein neutrales Gebiet
Viele der deutschen Deserteure flüchteten ins neutrale Holland, Dänemark oder die Schweiz. Auf dieser Illustration aus der Ausgabe der französischen Tageszeitung Le Petit Journal vom 18. März 1917 sieht man deutsche Soldaten, wie sie die eisige Maas überqueren, um Zuflucht in Holland zu suchen.
Britische Desertionen
Die Briten zeigten wenig Gnade mit Fahnenflüchtigen. Während des 1. Weltkrieges wurden 306 britische und Commonwealth-Soldaten wegen Desertion erschossen. Davon waren 25 Kanadier, 22 Iren und fünf Neuseeländer.
Eine Schande fürs Bataillon
Desertion war in den US-Streitkräften auch nach dem Eintritt Amerikas in den Ersten Weltkrieg noch weit verbreitet. Die Militärbehörden erinnerten potenzielle Deserteure mit Plakaten daran, welche Schande eine solche Tat für ihr Regiment oder Bataillon bedeuten würde.
Henry Holscher
Der Deserteur der US-Marine Henry Holscher wurde zu einem unwahrscheinlichen Helden des Ersten Weltkriegs, aber er tat dies unter einem Pseudonym: Leroy West. Er verließ in Liverpool das Schiff, gab sich als Kanadier aus und schloss sich den Northumberland Fusiliers an. Der Fahnenflüchtige kam 1917 in Palästina während der Zweiten Schlacht von Gaza zum Einsatz. West erhielt die Militärmedaille für Tapferkeit in diesem Kampf, obwohl sein Bataillon schwere Verluste erlitt und viele gefangen genommen wurden (siehe Bild). Seine Strafe wurde später wegen seiner Tapferkeit aufgehoben.
Amerikanische Desertionen
Insgesamt wurden während des Ersten Weltkriegs 5.584 US-Soldaten wegen Desertion angeklagt und 2.657 von ihnen verurteilt. Glücklicherweise konnten alle der Hinrichtung entgehen, nachdem Präsident Woodrow Wilson ihre Todesurteile in lange Haftstrafen umgewandelt hatte.
Russische Desertionen
Die massenhafte Desertion russischer Soldaten während des Ersten Weltkriegs führte zu einem enormen moralischen Verfall. Bis August 1917 wurden mehr als 365.000 Kämpfer inhaftiert. Das Bild zeigt russische Soldaten im Jahr 1914, die einen Lastwagen mit Deserteuren aufhalten.
Zweiter Weltkrieg
Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 wurden alle Einheiten des Österreichischen Bundesheeres massenhaft in die deutsche Wehrmacht übernommen. Dies führte zu zahlreichen Desertionen österreichischer Kämpfer. Im Jahr 2011 beschloss Wien, die österreichischen Wehrmachtsdeserteure mit einem eigenen Denkmal zu ehren.
Befehl Nr. 270
Stalins berüchtigter Befehl Nr. 270 befahl allen Angehörigen der Roten Armee, "bis zum Letzten zu kämpfen". Vorgesetzte wurden angewiesen, Fahnenflüchtige auf der Stelle zu erschießen.
Sowjetische Desertionen
Im Laufe des Krieges richteten die Sowjets 158.000 Soldaten wegen Desertion hin. Auf dem Bild sind russische Deserteure zu sehen, die sich 1941 in Smolensk einem deutschen Soldaten ergeben. Ihr Schicksal in der Gefangenschaft war ungewiss.
Abschaffung der Todesstrafe in Großbritannien
Trotz der Tatsache, dass während des Zweiten Weltkriegs fast 100.000 britische und Commonwealth-Soldaten aus den Streitkräften desertierten, wurde keiner von ihnen mit dem Tode bedroht: Die Todesstrafe für Desertion war 1930 abgeschafft worden.
Eddie Slovik
Über 21.000 amerikanische Soldaten wurden, während des Zweiten Weltkriegs, wegen Desertion vor Gericht gestellt und verurteilt. Aber nur einer wurde hingerichtet – Eddie Slovik. Der Soldat war weggelaufen und hatte behauptet, er sei zu ängstlich, um Schütze zu sein. Ein Kriegsgericht befand ihn für schuldig, und er wurde am 31. Januar 1945 erschossen.
Desertion während des Vietnamkriegs
Der Vietnamkrieg, ein sowohl im In- als auch im Ausland äußerst unpopulärer Konflikt, führte dazu, dass zwischen 1966 und 1973 503.926 US-Soldaten ihren Posten verließen. Viele flohen nach Kanada, während andere Länder Deserteuren Asyl boten.
Desertion während des Irakkriegs
Nach Angaben des Pentagon desertierten in den Jahren 2003 und 2004 mehr als 5.500 Angehörige der US-Streitkräfte, nach der Invasion und Besetzung des Irak. Die meisten von ihnen verließen ihren Posten während ihres Urlaubs in den Vereinigten Staaten.
Desertionsrate
Im Jahr 2007 berichtete NBC News, dass die Desertionsrate unter den Soldaten, die durch sechs Jahre Krieg belastet sind, die höchste seit 1980 ist.
Bowe Bergdahl
Der US-Soldat Bowe Bergdahl wurde von den Talibanen gefangen genommen, nachdem er 2009 von seinem Posten desertiert war. Er wurde fünf Jahre lang gefangen gehalten, bevor er 2014 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen wurde. Er wurde unehrenhaft entlassen.
Quellen: (Maritime Museum of the Atlantic) (University of Leeds) (Western Front Association) (BBC) (History) (NBC News) (Veterans for Common Sense) (Los Angeles Times)
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Fahnenflucht: Die ultimative Pflichtverletzung
Militärische Desertion gilt als eines der größten Verbrechen, dessen sich ein Soldat schuldig machen kann, und doch verlassen Soldaten schon seit der Antike ihre Einheiten. Jahrhundertelang wurde das unentschuldigte Verlassen des eigenen Postens, ohne der Absicht zurückzukehren, mit dem Tod bestraft. Man konnte aber auch ausgepeitscht, gebrandmarkt oder tätowiert werden, um sich für immer als Schurke, der seiner Uniform nicht würdig ist, zu kennzeichnen. Heute ist Fahnenflucht zwar selten, aber die Folgen sind immer noch schwerwiegend und enden in der Regel mit einer Geldstrafe, einem Gefängnisaufenthalt oder einer unehrenhaften Entlassung. Wer sind also die größten Pflichtverletzer der Geschichte?
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