Echtes Fleisch wird in 20 Jahren vielleicht ersetzt sein
Die Welt bewegt sich in Richtung Beyond Meat – und zwar schnell
LIFESTYLE Beyond meat
Burgerfleisch, das blutet, kann jetzt im Labor gefertigt werden, dann auf den Grill geworfen und gegessen werden, ohne überhaupt zu bemerken, dass das Steak rein pflanzlich ist.
Pflanzenbasierte Burger gibt es zwar schon seit einer ganzen Weile, aber erst die Eröffnung von Impossible Foods und Beyond Meat hat zu einem wahren Hype geführt. Unternehmen wie diese haben künstliches Fleisch erfunden, das in seiner Konsistenz, dem Aroma und Geschmack dem von echtem Fleisch so nahe kommt, dass die Chancen hoch sind, dass diese Unternehmen innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte komplett verändert haben werden, wie und was wir essen.
Der fleischlose Burger ist mit Sicherheit einer der größten Foodtrends des Moments, vor allem mit den erreichten Fortschritten bei laborproduziertem Fleisch. Und die Vorteile sind einfach zu großartig, um ignoriert zu werden. Aber wird das auch zu einem allgemeinen Wandel der Ernährung führen? Wird falsches Fleisch die landwirtschaftliche Tierhaltung zu Fall bringen?
Schauen wir, wie und ob die Fleischalternativen den Markt übernehmen können.
Aktuell gibt es hierbei zwei große Unternehmen. Beyond Meat ist eines davon. Dieser in Los Angeles sitzender Produzent von pflanzlichem Fleischersatz erobert die Welt dieser Tage im Sturm. Seit dem Börsengang Anfang Mai 2019 ist die Aktie von Beyond Meat gegenüber dem Startwert von 25 US-Dollar um mehr als 475% gestiegen. Der Marktwert liegt Berichten zufolge bei über 8 Milliarden US-Dollar. Kein Wunder also, dass die Menschen hungrig nach dem Burger sind. Der Burger besitzt mittlerweile eine schon fast kultähnliche Anhängerschaft.
Aber für wen sind sie? Wer einen genauen Blick auf die Verpackung wirft, stellt fest, dass nirgendwo "vegan" steht und dafür die "fleischige" Qualität betont wird. Das liegt daran, dass das Produkt Fleischesser ansprechen soll. Beyond Meat versucht sogar, Lebensmittelläden dazu zu überreden, ihre Produkte direkt in den Gang mit den echten Fleischwaren zu platzieren, um noch eher Fleischesser anzulocken.
Auch holen die Unternehmen Fast-Food-Ketten mit an Bord. Impossible Food schloss sich mit Burger King zusammen, um in den USA eine pflanzliche Version des berühmten Whoppers zu kreieren. Partnerschaften mit Ketten wie Carls Jr. und White Castle haben ein Ziel: Pflanzliche Alternativen da zu verkaufen, wo Fleischesser normalerweise essen und einkaufen. Die großen Unternehmen machen bereits mit. McDonalds startete den Verkauf eines PLT im kanadischen London.
Pat Brown, CEO und Gründer von Impossible Foods, sagt, ihre Mission sei es, "bis 2035 das Tier komplett als Nahrungsmitteltechnologie ersetzt zu haben".
Und es funktioniert. In der ersten Hälfte des Jahres 2018 waren 93% der Kunden, die Produkte von Beyond Meat in einem Kroger-Supermarkt kauften, Fleischesser. Von denen, die bei Burger King den Impossible Burger aßen, sagte ebenfalls 70%, dass sie normalerweise Fleisch essen würden.
Der Vorteil ist, die Menschen müssen sich nicht umgewöhnen. Wissenschaftler konzentrierten sich darauf, den Menschen das Gefühl zu geben, sie würden weiterhin Fleisch essen. Sie wollten ein Produkt entwickeln, das dieselben Sinneseindrücke erweckt und auch beim Kochen aussieht wie echtes Fleisch.
Wie also entsteht der fleischige Geschmack? Impossible Foods nutzt Häm, das normalerweise in Hämoglobin (hier aus Sojabohnen extrahiert) gefunden wird, um den blutähnlichen Geschmack zu erreichen. Obwohl die Produkte aussehen und schmecken wie echtes Fleisch, weigern viele sich, es auch so zu nennen. Veganer haben allerdings kein Problem damit.
Nicht so begeistert sind Farmer von diesen jüngsten Entwicklungen. Sie machen sich Sorgen. Die Fleischindustrie fürchtet, dass unechtes Fleisch (ganz besonders kultiviertes Fleisch, zu dem wir später noch kommen) ihre Lebensgrundlage zerstören wird, vor allem, sobald es günstiger ist als das Original.
Sie erhalten teilweise sogar Regierungshilfe. In Großbritannien etwa hat sich das Lebensmittelministerium auf die Seite der Farmer gestellt und will es Fleischalternativen erschweren, das Wort "Fleisch" zu gebrauchen. Aber kultiviertes Fleisch, reines Fleisch oder künstliches Fleisch – wie auch immer man es bezeichnen will – es wird nicht mehr so schnell von der Bildfläche verschwinden.
Reden wir über Gesundheit. Vegane und vegetarische Optionen sind traditionell gesünder und das trifft auch auf künstliches Fleisch zu – es ist meist besser als echtes Fleisch. Diejenigen, die natürliche Nahrungsmittel bevorzugen, werden allerdings von der lange Liste an Inhaltsstoffen, die in pflanzlichem Fleisch enthalten ist, nicht sonderlich begeistert sein.
Kann es sich durchsetzen? Analysten sagen voraus, das sich Fleischalternativen bis 2040 so rapide entwickelt haben werden, dass 60% des weltweiten Fleischs nicht mehr von normalen Tieren kommen wird. Und dann gibt es ja auch noch die weltweit steigende Nahrungsmittelnachfrage. Laut dem World Economic Forum wird die Menge an Lebensmitteln, die wir aktuell anbauen, 2050 nur noch die Hälfte der Weltbevölkerung (bis dahin laut Vorhersagen rund 9,8 Milliarden Menschen) versorgen. Bis dahin wird sich die Nachfrage nach tierischen Produkten um bis zu 70% gesteigert haben.
Die Welt kann bei diesem Tempo nicht mithalten. Wenn genug Nahrung produziert werden soll, brauchen wir mehr Land für Getreide und Viehbestand. Der Klimawandel wird die benötigten Ressourcen jedoch eher verknappen. Landwirte werden aus weniger mehr zaubern müssen. Und hier kommt pflanzliches Fleisch ins Spiel. Der pflanzliche Burger von Beyond Meat hat im Vergleich zu einem Viertel-Pfund-Burger aus echtem Rindfleisch 99% weniger Auswirkungen auf die Wasserknappheit, benötigt 93% weniger Land, 46% weniger Energie und stößt 90% weniger Treibhausgase aus.
Das einzige Hindernis? In den USA kostet ein Viertelpfund pflanzliches Fleisch immer noch rund 2 Dollar mehr als echtes Fleisch. In einer Welt, in der Menschen erst noch überzeugt werden müssen, vegetarisch zu leben, ist das ein großes Hindernis. Die Erfahrung, die Nährwerte und die Kosten müssen also stimmen. Wenn all diese Dinge zusammenpassen, also Geschmack und Nährwerte, Umwelteinfluss und Erschwinglichkeit, warum sollte die Menschheit dann nicht auf das echte Fleisch verzichten wollen?
In zwei Jahrzehnten könnten unsere Teller dementsprechend ganz anders aussehen. Es gibt nicht nur pflanzliche Alternativen für Rindfleisch, sondern auch für Schweinefleisch, Lammfleisch, Hühnerfleisch, Fisch und jede andere Art von Fleisch.
Was ist die nächste Grenze? In einem Labor gezüchtetes Fleisch könnte laut einem Bericht von AT Kearney bereits 2040 pflanzliche Alternativen wie Beyond Meat und Impossible Foods überholen. Bei Fleisch aus Laboranbau gab es erst vor Kurzem Fortschritte in der Zellkultivierung, angeführt von Mark Post, einem Gefäßbiologen. Er schuf einen Burger, indem er im Wesentlichen rund 20.000 Proteinstränge zusammenstrickte, die aus Rinderstammzellen kultiviert worden waren. Einfach ausgedrückt werden Stammzellen aus dem Muskel eines Tieres entnommen und in eine nährstoffreiche Brühe gegeben, in der sie sich vermehren und zu Muskelfasern wachsen. Also, es ist echtes Fleisch, das aber ohne die Tierschlachtung auskommt.
Der Burger aus der Petrischale ist ebenfalls umweltfreundlich. Neben der Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 74–87% wird berichtet, dass für die Produktion von einer Milliarde Viertelpfünder-Burgern 1,2 Millionen Kühe drei Jahre lang auf 8.600 Quadratkilometern Land leben und diese anschließend getötet werden müssen. Die gleiche Anzahl von kultivierten Burgern würde Muskelstammzellen einer einzigen lebenden Kuh benötigen und nur ungefähr anderthalb Monate brauchen, um zu wachsen.
So gut das klingt – es gibt es noch nicht. Aber es wird vermutlich den Markt übernehmen! Der erste im Labor hergestellte Burger, der 2013 hergestellt wurde, kostete rund 325.000 US-Dollar (rund 299.900 Euro). Innerhalb von nur zwei Jahren war der Preis auf 8,15 US-Dollar (etwa 7,50 €) gesunken, und Future Meat Technologies sagte, die Kosten könnten noch 2020 auf unter 4,50 US-Dollar pro Pfund (4,15 € für 453 g) sinken.
Die Fakten bleiben. Berichten zufolge richtet die Fleischindustrie weltweit irreversiblen Schaden an, doch der köstliche Wettlauf um den Ersatz läuft jetzt auf Hochtouren.