Was wäre, wenn Sie noch einmal mit einem geliebten Menschen sprechen könnten – obwohl er oder sie längst verstorben ist? Dank moderner Technik gibt es nun eine neue Möglichkeit, diesem Wunsch nachzukommen: Chatbots der Verstorbenen. Dabei handelt es sich um Programme, die mithilfe persönlicher Daten das Gespräch mit einer verstorbenen Person simulieren – eine faszinierende, aber auch umstrittene Entwicklung.
Ist das nur ein Spielerei der Tech-Welt – oder stehen wir wirklich an der Schwelle zu einer neuen Form des Erinnerns? Klicken Sie sich durch die Galerie und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.
ELIZA, einer der ersten und bekanntesten Chatbots, wurde in den 1960er Jahren von MIT-Professor Joseph Weizenbaum entwickelt. Weizenbaum war zwar ein Pionier der Informatik, wurde aber später zum Kritiker der künstlichen Intelligenz und bezeichnete sie als "Index des Wahnsinns unserer Welt".
ELIZA wurde entwickelt, um einen Psychotherapeuten zu simulieren. Es nutzt Schlüsselworterkennung und vordefinierte Regeln, um NutzerInnen mit einfachen, reflektierenden Fragen zu fesseln. Trotz seiner Einfachheit im Vergleich zu moderner KI faszinierte ELIZA die NutzerInnen und demonstrierte das Potenzial der Konversationstechnologie.
Moderne Chatbots nutzen maschinelles Lernen, anstatt sich auf vorprogrammierte Regeln zu verlassen. Dadurch können sie komplexe Gespräche führen, indem sie Schlussfolgerungen ziehen, Fragen beantworten, den Kontext wahren und Gesprächsnuancen berücksichtigen.
Chatbots der Toten basieren auf maschinellem Lernen in Kombination mit persönlichen Texten – Textnachrichten, E-Mails, Briefen, Tagebüchern –, die die einzigartige Stimme, den Satzbau, Einstellung und Eigenheiten einer Person erfassen und so eine Nachahmung ihrer Persönlichkeit und ihres Stils ermöglichen.
Eine einfache Möglichkeit, einen Chatbot für eine verstorbene Person zu erstellen, ist, einem vortrainierten Chatbot wie ChatGPT persönliche Texte – zum Beispiel Nachrichten, E-Mails oder Tagebucheinträge – zu geben und ihn damit antworten zu lassen.
Eine aufwendigere Methode ist, ein Sprachmodell extra auf die Schreibweise einer bestimmten Person zu trainieren. Das kostet viel Zeit und Daten, kann aber einen sehr persönlichen Chatbot ergeben, der wie diese Person klingt.
Beide Ansätze ermöglichen es einem Chatbot, die Sprachmuster einer verstorbenen Person nachzubilden. Dabei können echte Sätze der Person wiedergegeben, neue ähnliche Sätze vom Chatbot erstellt oder beides kombiniert werden.
Chatbots können allein genutzt oder mit neuer Technik wie Stimmnachbildungen und Deepfakes kombiniert werden. So entstehen lebensechte, interaktive Abbilder von Verstorbenen.
Mit ausreichend persönlichen Daten können zahlreiche Unternehmen und Plattformen nun konversationsfähige KI-Versionen verstorbener Personen erstellen. Diese fortschrittlichen Systeme bieten eine Möglichkeit, Erinnerungen zu bewahren und mit ihnen zu interagieren.
Chatbots, die Gespräche mit Verstorbenen simulieren, werden sich voraussichtlich weiterentwickeln und mehr als nur Textaustausch ermöglichen. Ähnlich wie menschliche Medien und Ouija-Bretter (im Bild) sprechen sie einen der tiefsten menschlichen Wünsche an: die Verbindung zu den Verstorbenen wiederherzustellen.
Viele KritikerInnen sagen, dass solche Chatbots den Tod verdrängen und unsere gewohnten Vorstellungen von Trauer und Abschied stören.
KritikerInnen befürchten oft, dass schutzbedürftige Benutzer eine übermäßige Bindung entwickeln könnten, den Chatbot mit ihrem verstorbenen Angehörigen verwechseln oder Schwierigkeiten hätten, den Verlust vollständig zu begreifen.
In seinem Buch "Digital Souls" warnt der Philosoph Patrick Stokes vor einer Zukunft, in der uns die Avatare der Verstorbenen so vertraut werden, dass wir sie fälschlicherweise für die tatsächlichen Verstorbenen halten könnten, wodurch die Grenzen zwischen Simulation und Realität verschwimmen.
In ihrem Buch "The AI Mirror" kritisiert die Philosophin Shannon Vallor die Natur emotionaler Bindungen zu digitalen Wesen, die nicht in der Lage sind, Zuneigung zu erwidern.
Besonders problematisch wird es, wenn Firmen aus Geldgründen solche Chatbots entwickeln. Sie könnten dabei Menschen in Trauer ausnutzen – das wirft ernste ethische Fragen auf.
Ein Chatbot von Verstorbenen, der viel Geld kostet oder wie ein Spiel funktioniert – zum Beispiel mit Extras für mehr "Fürsorge" oder täglicher Nutzung – kann sehr problematisch sein. Firmen könnten so trauernde Menschen ausnutzen.
Chatbots von Verstorbenen sollten keine echten Begleiter ersetzen oder wie lebensechte Kopien wirken. Sonst gibt es ernste ethische Fragen über ihren wahren Zweck.
Besser wäre: Chatbots sollten nicht so tun, als wären sie Verstorbene. Stattdessen könnten sie helfen, über das Leben, den Tod und die eigene Trauer nachzudenken – und so etwas Sinnvolles bewirken.
Ein Chatbot könnte als spirituelles Medium konzipiert werden, das die Stimmen Verstorbener aus einer imaginären spirituellen Welt kanalisiert. Dieses Konzept würde die Trennung zwischen Leben und Tod verdeutlichen und das imaginative Erlebnis für seine NutzerInnen bereichern.
Ein Chatbot könnte wie ein Museumsführer sein und spannende Dinge über die verstorbene Person und ihre Texte erzählen.
Chatbots von Verstorbenen können helfen, leichter durch die Texte und Erinnerungen einer Person zu navigieren. Aber sie ersetzen diese Inhalte nicht und machen sie auch nicht kleiner.
Für trauernde Menschen oder alle, die über die Vergangenheit nachdenken, ist eines klar: Beziehungen enden nicht mit dem Tod. Erinnerungen, Gedanken und Fragen bleiben – getragen von persönlichen Dingen und der Gemeinschaft.
Wie Tagebücher, Fotos und Erzählungen sollen Chatbots der Verstorbenen helfen, Erinnerungen zu bewahren und Verbindungen über die Zeit hinweg zu schaffen.
Sie müssen nicht dazu dienen, den Verlust zu leugnen; vielmehr können sie als wertvolle Quelle der Reflexion über unsere eigene Sterblichkeit und der Wertschätzung der Erinnerungen an die Menschen dienen, die wir verloren haben.
Große Technologieunternehmen werden sich in Zukunft wahrscheinlich für Chatbots der Toten interessieren, weil es Geld bringt. Doch dabei könnten die Interessen der NutzerInnen und die ursprüngliche Idee hinter diesen Tools in den Hintergrund geraten.
Sie könnten von langweiligen, süchtig machenden und kommerziellen Angeboten überlagert werden, die nur auf Profit aus sind. Dadurch wird die Kreativität erstickt und es wird uns schwerer fallen, uns mit tieferen, spirituellen Themen auseinanderzusetzen.
Anstatt neue Technologien dem einschränkenden Griff kommerzieller Interessen zu überlassen, sollten wir uns für KI als eine Kraft einsetzen, die die kreative und spirituelle Mission der Menschheit voranbringt.
Man sollte künstliche Intelligenz also für etwas Gutes nutzen: KI und Chatbots der Toten könnten uns helfen, die Geschichte und das Andenken an unsere Liebsten zu bewahren. Gleichzeitig könnten sie uns dabei unterstützen, mehr über das Leben, unsere Verbindungen und uns selbst zu verstehen.
Quellen: (Coda Story) (Universität Cambridge) (Aeon)
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