Ein Großteil des Lebens Jesu wird in der Bibel beschrieben, mit Ausnahme eines 18-jährigen Zeitraums zwischen dem Alter von 12 und 30 Jahren. Diese Jahre sind als die verlorenen/unbekannten/vermissten Jahre Jesu bekannt.

Das Leben Jesu als Neugeborener ist in der Bibel gut dokumentiert, ebenso wie die Jahre seines Wirkens. Aber es gibt eine große Lücke, die nicht dokumentiert wurde und zu einer Reihe von Theorien geführt hat. Schauen wir uns jetzt einige davon an.

Eine Theorie hält es einfach: Jesus lebte in Nazareth, wo er von seinem Vater Josef das Tischlerhandwerk erlernte. Dann, als Erwachsener, wurde Jesus selbst Schreiner. Söhne folgten in der Regel dem Beruf ihres Vaters, daher ist diese Theorie plausibel.

Auch die Evangelien scheinen diesen Gedanken zu bestätigen. In Markus 6,3 heißt es: "Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria, der Bruder des Jakobus und des Joses und des Judas und des Simon?" Einige Theologen sind jedoch anderer Meinung, darunter der frühchristliche Schriftsteller Origenes, der sagte, dass "Jesus selbst in den von den Kirchen anerkannten Evangelien nirgends als Zimmermann beschrieben wird".

In dem Buch "Das verlorene Evangelium" behaupten die Autoren Barrie Wilson und Simcha Jacobovici, dass Jesus in den verlorenen Jahren Maria Magdalena geheiratet und Kinder bekommen hat.

Die Autoren stützen diese Idee auf ein 1.500 Jahre altes aramäisches Buch, das in der British Library entdeckt wurde.

Es gibt weitere Quellen, die darauf hindeuten, dass Jesus verheiratet gewesen sein könnte, insbesondere ein ägyptischer Papyrus aus dem 4. Jahrhundert (siehe Abbildung), der ein Zitat von Jesus enthält, in dem er sich auf seine Frau bezieht. Der Papyrus, der in der archaischen koptischen Sprache geschrieben ist, enthält den Satz "Jesus sagte zu ihnen: 'Meine Frau...'".

Die Theorie, dass Jesus fast 20 Jahre lang als Zimmermann arbeitete und dann eine religiöse Figur wurde, überzeugt viele Wissenschaftler nicht. Einige sind sogar der Meinung, dass Jesus stattdessen eine Zeit lang bei Johannes dem Täufer lernte, bevor er seine eigenen Anhänger um sich scharte.

Bruce Chilton vertritt in seinem Buch "Rabbi Jesus" die Ansicht, dass Jesus nach dem Besuch des Tempels nicht nach Nazareth zurückkehrte, sondern sich Johannes dem Täufer als Jünger anschloss. Chilton stellt fest, dass "Jesus einen rebellischen, unternehmungslustigen Geist hatte. Er wurde nicht zu einem leidenschaftlichen religiösen Genie, indem er in der konventionellen Frömmigkeit eines Dorfes versauerte, das ihn kaum akzeptierte".

Die Bibel bietet vielleicht eine gewisse Unterstützung für diese Theorie in Matthäus 3,13-17, wo die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer beschrieben wird.

In der Bibel wird Jesus zwischen seiner Geburt und seinem dreißigsten Lebensjahr nur einmal erwähnt, und zwar in der Geschichte von Jesus im Tempel. In Lukas 2,41-52 heißt es, dass Maria und Josef Jesus unbeabsichtigt in Jerusalem zurückließen, als er 12 Jahre alt war. Als sie in die Stadt zurückkehrten, fanden sie Jesus im Tempel, wo er sich mit den Gelehrten unterhielt.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass Jesus viel Zeit mit Lernen verbracht hat. Schon im Alter von 12 Jahren sagte er seinen Eltern, sie sollten sich nicht wundern, wenn er tagelang mit Gelehrten diskutierte. Das deutet darauf hin, dass Jesus wahrscheinlich viele Jahre mit dem Studium verbrachte, bevor er begann, Anhänger zu gewinnen.

Die Schriftrollen vom Toten Meer wurden 1947 in der trockenen Wüste südöstlich von Jerusalem gefunden. Es ist möglich, dass die Schriftrollen Hinweise auf den Aufenthaltsort von Jesus während seiner verlorenen Jahre enthalten.

Die Theorie besagt, dass Jesus, als er jung war, Qumrān (im Bild) besuchte, wo die Essener (eine mystische jüdische Sekte) lebten. Die Schriftrollen vom Toten Meer enthalten ihre alten religiösen Schriften, und es gibt Hinweise darauf, dass Johannes der Täufer von dieser Gruppe beeinflusst worden sein könnte.

Wenn Johannes der Täufer von der Essener Sekte unterrichtet wurde, ist es möglich, dass auch Jesus mit ihnen in Verbindung stand. Außerdem beschreibt eine der Schriftrollen tatsächlich eine Person, die gut Jesus sein könnte. Diese Person wird als "Sohn Gottes" und "Sohn des Höchsten" bezeichnet.

In 18 Jahren kann viel passieren, und eine Theorie besagt, dass Jesus nach Indien gereist sein könnte – und das gleich mehrmals. Dieser Theorie zufolge lernte Jesus in Kaschmir den Buddhismus kennen. Es gibt sogar eine Geschichte, nach der Jesus im Jahr 80 n. Chr. ein buddhistisches Kloster nördlich von Srinagar besuchte und an einer religiösen Versammlung teilnahm, obwohl man glaubte, er sei Jahre zuvor gestorben.

Es wurde die Theorie aufgestellt, dass Jesus nach Indien gereist sein könnte, um den Besuch der Heiligen Drei Könige aus dem Osten zu erwidern. Dies könnte auch erklären, warum Jesus den heiligen Thomas beauftragte, nach Indien zu gehen und dort das Evangelium zu verbreiten.

Vielleicht hat Jesus seine verlorenen Jahre als echter Hirte verbracht, bevor er zu einem metaphorischen Hirten wurde. In Johannes 10,11 sagt Jesus: "Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe". Könnte er damit Erfahrungen aus der realen Welt gemeint haben?

Hypothetisch gesehen hätte Jesus den Beruf seines Vaters als Zimmermann aufgeben und stattdessen jahrelang als Hirte arbeiten können. Der Job hätte Jesus viel Zeit zum Nachdenken gegeben, soviel ist sicher!

Jesus konnte in seinen Dreißigern gut mit Menschen umgehen, aber vielleicht war er nicht immer so. Seine Teenagerjahre waren vielleicht die Jahre der Einsamkeit, in denen er sich der Selbstbeobachtung und dem Nachdenken widmete, so wie es ein Mönch tun würde.

Ein geheimnisvolles Manuskript aus dem 3. Jahrhundert mit dem Titel "Leben des Heiligen Issa, des Besten der Menschensöhne" besagt, dass Jesus von Yogis in Indien, Nepal und Tibet gelernt hat.

Viele Gelehrte schließen diese Möglichkeit völlig aus. Diese Theorie wurde von dem russischen Aristokraten und Spion Nicolas Notovitch aufgestellt. Er behauptete, das Manuskript während einer Reise im Jahr 1894 im Hemis-Kloster (im Bild) in Ladakh, Indien, gesehen zu haben. Das Kloster bestritt jedoch seine Behauptungen.

Während es von vielen als Schwindel abgetan wurde, haben einige Besucher des Klosters Hemis behauptet, dass sie dasselbe Manuskript gefunden haben.

Eine Theorie besagt, dass Jesus mit seinem Onkel Joseph von Arimathäa, einem Zinnhändler, nach Großbritannien reiste. Und nicht nur das, sondern dass er tatsächlich bei den Druiden in Glastonbury studierte. "Er musste herumreisen, um etwas über die alte Weisheit zu lernen, und die Druiden in Großbritannien sind Hunderte, wenn nicht Tausende von Jahren alt. Wahrscheinlich kam er hierher, um die Druiden zu treffen, seine Weisheit mit ihnen zu teilen und ihre Weisheit zu erlangen", sagte Dr. Gordon Strachan, Pfarrer der Church of Scotland.

Die Theorie wurde im 19. Jahrhundert durch ein Gedicht von William Blake populär, das wie folgt lautet "Und sind diese Füße in alter Zeit / Über Englands grüne Berge gegangen / Und wurde das heilige Lamm Gottes / Auf Englands lieblichen Weiden gesehen?"

Eine Theorie besagt, dass Jesus in die Neue Welt gereist ist. Der Archäologe L. Taylor Hansen schlug vor, dass eine als "Weißer Prophet" bekannte Figur verschiedene indianische Stämme während der Zeit der verlorenen Jahre Jesu besuchte. Es gibt Geschichten über diesen "Weißen Propheten" an Orten wie Mexiko, Peru und Nordamerika.

Der Legende nach konnte dieser "weiße Prophet" viele Sprachen sprechen, Kranke heilen und Tote wieder zum Leben erwecken. Klingt ganz nach Jesus, oder?

Nach dieser Theorie reiste Jesus im Alter von 21 Jahren nach Japan, um Theologie zu studieren. Jesus ließ sich in der Stadt Shingo nieder und blieb 12 Jahre lang in dem Land.

Die Theorie besagt auch, dass Jesus in Wirklichkeit nicht gekreuzigt wurde. Bevor dies geschehen konnte, floh er aus Judäa und kehrte nach Shingo zurück, wo er im Alter von 106 Jahren starb. Heute behauptet Shingo, die Heimatstadt Jesu gewesen zu sein, und jedes Jahr besuchen Tausende von Menschen das angebliche Grab von Jesus Christus.

Quellen: (History) (National Geographic) (The Independent) (PBS) (BBC) (SBS) (Ranker) 

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