Was spricht aus wissenschaftlicher Sicht gegen die Zeitumstellung?
Die ExpertInnen behalten die Uhr genau im Blick!
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Jedes Jahr, wenn der Sommer zu Ende gegangen ist und und die Blätter von den Bäumen fallen, bereiten wir uns mehr oder weniger bereitwillig auf ein Ereignis vor, das zwei Mal jährlich stattfindet und von Jahr zu Jahr mehr Unmut auf sich zieht: die Zeitumstellung. Mit der kommenden Umstellung auf Winterzeit bzw. Normalzeit bekommen wir in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2024 eine Stunde Schlaf "geschenkt". Große Teile der Wissenschaft und der Bevölkerung wollen die Zeitumstellung abschaffen, da diese schlecht für Gesundheit und Wirtschaft sei. Aber worum geht es dabei genau?
Klicken Sie sich durch diese Galerie und finden Sie heraus, warum SpezialistInnen sich gegen die Zeitumstellung stellen.
Ende des Sommers
Die Sommerzeit endet in Deutschland und der EU am letzten Sonntag im Oktober, 2024 also am 27. Oktober. In den USA und Kanada endet die Sommerzeit am ersten Sonntag im November.
Sommerzeit
Europa, Kanada und die USA sind damit eher die Ausnahme als die Regel. In den meisten Ländern gibt es keine Sommerzeit, also auch keine Zeitumstellung im Frühjahr und Herbst. Nur in etwa einem Drittel der Länder weltweit werden die Uhren auf Sommerzeit umgestellt.
Forderungen eines Endes der Sommerzeit
Viele WissenschaftlerInnen fordern, die Zeitumstellung abzuschaffen und geben dafür negative Auswirkungen auf Gesundheit und Wirtschaft an.
Time Use Initiative
Das Vorantreiben der Debatte zur Abschaffung der saisonalen Zeitumstellung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und unter politischen Entscheidungsträgern ist eines der zehn Ziele der Erklärung von Barcelona zur Zeitpolitik der Time Use Initiative mit dem Ziel, das Recht auf Zeit in Europa zu befördern.
Umsetzung des Gesetzesentwurfes der EU-Kommission
Nach einer öffentlichkeitswirksamen Umfrage im Jahr 2018 legte die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Zeitumstellung vor. Das EU-Parlament stimmte zu, verschob jedoch die geplante Abschaffung von 2019 auf 2021. Die Mitgliedsstaaten ziehen jedoch nicht mit und seitdem liegt die Abschaffung auf Eis.
Aus der Sicht von ChronobiologInnen
ChronobiologInnen aus Großbritannien, die den biologischen Rhythmus erforschen, warnen davor, dass die Verschiebung des Tagesrhythmus um nur eine Stunde massive Konsequenzen haben kann. Sie fordern, dass die Zeitumstellung vollkommen aufgegeben werden sollte.
Das Problem mit der Zeit
Ist die zwei Mal jährlich stattfindende Zeitumstellung also echte Zeitverschwendung? Was macht den ExpertInnen genau Sorgen? Der Diskussion liegt unsere innere Uhr bzw. die circadiane Rhythmik zugrunde.
Circadianer Rhythmus
Der circadiane Rhythmus, auch als innere Uhr bezeichnet, kontrolliert wichtige Körperfunktionen. Er trägt dazu bei, dass wir wissen, wenn wir hungrig, durstig und müde sind.
Die Uhr unseres Körpers
Die circadiane Rhythmik trägt außerdem dazu bei, Dinge wie die Körpertemperatur und Hormone zu steuern.
Schlaf-Wach-Rhythmus
Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist der offensichtlichste der circadianen Rhythmen des Menschen. Störungen in diesem Kreislauf können sich darauf auswirken, wie gut Sie schlafen, wann Sie schlafen und wie leistungsfähig Sie sind, wenn Sie wach sind.
Aus dem Rhythmus
Die Zeitumstellung kann die Synchronisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus mit der Umwelt aus dem Takt bringen, so die Forschenden. Dies löse wiederum eine Vielzahl an Problemen im Zusammenhang mit der Sommerzeit aus.
Krebsrisiko
So wurde die Zeitumstellung beispielsweise mit erhöhten Krebsraten in Verbindung gebracht.
Risiken gemäß Zeitzonen
Laut einer Studie des National Cancer Institute (NCI) in den USA könnte der Wohnort innerhalb einer Zeitzone mit einem leicht erhöhten Risiko für bestimmte Krebsarten in Zusammenhang stehen, die mit Störungen der biologischen Uhr in Verbindung gebracht wurden. Die Forschungen deuten darauf hin, dass Menschen, die im Westen einer Zeitzone leben, ein höheres Risiko für Leukämie, Magenkrebs, Lungenkrebs, Mammakarzinome und mehr haben.
Circadiane Verlagerung
Eine circadiane Verlagerung, also eine Störung unserer inneren Uhr, kann neben einem erhöhten Krebsrisiko in bestimmten Situationen auch für ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht sorgen.
Probleme mit der mentalen Gesundheit
Eine Störung des circadianen Rhythmus kann außerdem zu psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen, bipolaren Störungen, Schizophrenie und Aufmerksamkeitsstörungen führen.
Biologisches Ungleichgewicht
Im Allgemeinen kann eine verstellte innere Uhr zu Veränderungen im Appetit, Essverhalten und den metabolischen Funktionen führen.
Unterbrochener Arbeitsrhythmus
Circadiane Störungen wurden auch bereits für eine fehlende Leistungsfähigkeit bei der Arbeit verantwortlich gemacht.
Auf Crashkurs
Erschreckenderweise kann das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls laut einer Studie der Association for Psychological Science, die in ScienceDaily veröffentlicht wurde, um bis zu 6 % in Folge der Zeitumstellung im Frühjahr ansteigen.
Damals
Die tägliche Routine der Sonne anzupassen ist nichts Neues. Es ist bekannt, dass antike Kulturen den Tag unabhängig von der Dauer des Tageslichts in 12 Stunden einteilten, sodass eine Stunde des Tages im Frühjahr langsam länger und im Herbst kürzer wurde. Die alten Römer hatten ihre eigene Sommerzeit, indem sie eine Wasseruhr oder Klepsydra verwendeten.
Der erste Vorschlag der Zeitumstellung
Die heutige Zeitumstellung haben wir dem neuseeländischen Entomologen und Schichtarbeiter George Hudson (1867–1946) zu verdanken. Er schlug die Sommerzeit 1895 als Möglichkeit der saisonalen Zeitumstellung vor, um die zusätzlichen zwei Stunden Tageslicht nutzen zu können.
Sonnige Städte
1908 nahmen Port Arthur (Bild) und Fort William (heute zu Thunder Bay zusammengeschlossen) in Ontario, Kanada, als die ersten beiden Städten die Zeitumstellung an, um im Sommer eine zusätzliche Stunde Sonne zu haben.
Methode zum Energiesparen
Acht Jahre später nahmen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn die Sommerzeit an, um für den Krieg Strom und Treibstoff zur Beleuchtung zu sparen.
Sommerzeit in Großbritannien
In England hatte der Bauarbeiter William Willett (1856–1915) das Konzept einer britischen Sommerzeit bereits beworben, um morgens eine Stunde weniger und abends eine Stunde mehr Tageslicht zu haben, als Großbritannien und die Alliierten die Sommerzeit 1916 annahmen.
Standard Time Act
In den USA wurde die Sommerzeit mit dem Standard Time Act aus dem Jahr 1918 eingeführt. Sie sollte zu Kriegszeiten sieben Monate lang durch das zusätzliche Tageslicht Energie einsparen.
Zurück in die Vergangenheit
Die Zeitumstellung im Frühjahr, wenn die Uhren eine Stunde vorgestellt werden, ist in der Regel die Zeitumstellung, die unserer Gesundheit am meisten schadet. Wie wirkt es sich jedoch auf unseren Körper aus, wenn die Uhr zurückgestellt wird?
Weniger Schlaf
Auch wenn das Zurückstellen der Uhren im Herbst beim Aufstehen hilft, gerät unsere circadiane Rhythmik wiederum aus dem Takt.
Eine Stunde Unterschied
Wenn Ihr Wecker also um 7 Uhr klingelt, ist es für Ihren Körper bereits 8 Uhr. Den Körper – und sei es nur um eine Stunde – aus seinem normalen Rhythmus zu bringen, kann zu Problemen führen.
Montagmorgen
Der zusätzliche Stress eines Montagmorgens hilft hier natürlich nicht, aber die Risiken sind mehr oder weniger dieselben, die auch im Frühjahr vorkommen. Besonders anfällig sind Menschen mit hohem Blutdruck, einem hohen Cholesterinspiegel und Diabetes oder Raucher bzw. Übergewichtige.
Kein Grund zur Sorge
Generell lässt sich jedoch sagen, dass gesunde Menschen ohne Schlafmangel sich keine Gedanken um die Zeitumstellung machen brauchen.
Tipps zum besseren Einschlafen
Ein hilfreicher Tipp ist, bereits einige Tage vor der Zeitumstellung etwas später schlafen zu gehen und etwa 20 Minuten später aufzustehen. Das sollte die Zeitumstellung deutlich vereinfachen.
Quellen: (Pew Research Center) (Time Use Initiative) (NCSL) (Sleep Health Foundation) (NCI) (Association for Psychological Science) (Northern Ontario Travel) (Daily Mail) (British Sleep Society)
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