Wie lässt sich das nächste Jahrhunderterdbeben vorhersagen? Die Wissenschaft setzt auf KI
Künstliche Intelligenz könnte neue Möglichkeiten zur Erdbebenvorhersage eröffnen
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Erdbeben, die einst selten und unvorhersehbar waren, werden immer häufiger und schwerwiegender. Die Forschung sucht nach Möglichkeiten diese Naturkatastrophen vorherzusagen, hat bislang jedoch nur wenig Erfolg.
Jetzt bringt künstliche Intelligenz einen Hoffnungsschimmer. Durch die Analyse von riesigen Datenmengen hilft die KI den Wissenschaftlern dabei, Muster zu erkennen, die auf ein bevorstehendes Erdbeben hindeuten. Kann diese Technik uns endlich die Antworten liefern, nach denen wir schon so lange suchen? Klicken Sie weiter und finden Sie mehr heraus.
Erdbeben vorhersagen
Geologen versuchen spätestens seit den 60er Jahren mithilfe moderner wissenschaftlicher Methoden Erdbeben vorherzusagen, mit begrenztem Erfolg.
Eine unmögliche Aufgabe?
Viele Wissenschaftler haben die Vorhersage von Erdbeben bislang als unmöglich betrachtet oder sich zumindest nur sehr gedämpft optimistisch gezeigt.
Komplexität der Erde
Chris Marone, Professor für Geowissenschaften an der Penn State University in Pennsylvania, erklärt, dass die Komplexität der Verwerfungssysteme, die die Erde überziehen, einer der Faktoren ist, die Erdbebenvorhersagen erschweren.
Erdbewegungen
Verwerfungen sind Brüche oder Gebiete von Brüchen im Gestein. Entlang dieser Verwerfungen können schnelle Bewegungen auftreten, die zu einem Erdbeben führen.
Gefahr aus dem Untergrund
Verwerfungen sind allerdings nicht immer leicht zu erkennen. Die meisten liegen unter der Oberfläche und sind schwer zu entdecken.
Zu viel Lärm
Wir hören es zwar unter dem alltäglichen Lärm nicht, aber die Erde rumpelt und grummelt konstant unter uns. Dies macht es zusammen mit Verkehr, Baulärm und anderen Geräuschen schwer eindeutige seismische Signale festzustellen.
Ideales Szenario
Nach Angaben des United States Geological Survey sind für wirklich nützliche Erdbebenvorhersagen drei Elemente nötig: Ort, Zeit und Tiefe. Bislang kann diese niemand mit Sicherheit vorhersagen.
Ratespiel
Stattdessen erstellen Geologen bislang Gefährdungskarten, die die Wahrscheinlichkeit eines Erdbebens innerhalb eines bestimmten Zeitraums abschätzen.
Nicht ausreichend
Diese Karten können zwar bei der Planung helfen, also beispielsweise bei der Verbesserung der Baustandards in Hochrisikogebieten, bieten jedoch nicht die Präzision, die für Frühwarnungen zur Evakuierung von Menschen nötig wäre.
Auf die Anzeichen achten
Da Naturkatastrophen immer häufiger werden, untersuchen Wissenschaftler verschiedene Methoden, um die Vorhersage von Erdbeben zu verbessern, von seismischen Signalen zum Verhalten von Tieren und atmosphärischen Veränderungen.
KI hilft
Hier kommt künstliche Intelligenz ins Spiel. Mehrere Seismologen, die sich mit Erdbeben beschäftigen, nutzen diese Technologie in der Hoffnung die Möglichkeiten zur Erdbebenvorhersage zu verbessern.
Vorteile
Die Nutzung von KI erhöht und beschleunigt die Fähigkeiten eines einzelnen Wissenschaftlers. Da die Vorhersage von Erdbeben auf zahlreichen Datenpunkten beruht und sehr zeitsensitiv ist, ist dies ein großer Vorteil.
Vorteile
KI-Programme können mehrere seismische Aufzeichnungen gleichzeitig hochpräzise in 3D verarbeiten, schneller als jeder Mensch.
KI für die Jagd auf Erdbeben
Geophysiker Zachary Ross und sein Team am California Institute of Technology hat ein KI-Programm erstellt und testet es bereits in Kalifornien. Die Region ist geologisch sehr aktiv und dicht mit Seismografen ausgestattet.
Experiment
Funktionsweise
Stellen Sie sich jedes Erdbeben als ein einzigartiges Lied vor. Die Wissenschaftler haben diese "Lieder" aufgezeichnet und die spezifischen Noten und Rhythmen identifiziert, die jedes Erdbeben einzigartig machen. Aus den aufgezeichneten "Liedern" erstellen sie eine Datenbank.
Funktionsweise
Nun nutzen sie ein Computerprogramm, um dem konstanten Summen der Erde zuzuhören. Dieses Programm sucht nach möglichen neuen "Liedern", die denen aus der Datenbank ähneln. Falls es einen Treffer gibt, könnte dies auf ein bevorstehendes Erdbeben hindeuten.
Versteckt
Der Algorithmus identifizierte schnell an die zwei Millionen unentdeckte winzige Erdbeben zwischen 2008 und 2017. Diese Beben deckten ein verzweigtes Netz aus Verwerfungen auf, das bei vorherigen Erdbebenuntersuchungen nicht aufgefallen war.
Nachteil
Dieses Programm, ein Vorläufer vollwertiger KI-Software, konnte nur Erdbeben in den seismologischen Aufzeichnungen erkennen, die seinen Trainingsdaten entsprachen, weshalb neue seismologische Ereignisse übersehen wurden.
Zukunftsvorhersagen
Um die Erdbebenvorhersage zu verbessern, wandte sich Ross fortschrittlicheren Werkzeugen zu: selbstlernende Programme, die vorhandene Informationen nutzen können, um den Klang eines größeren Spektrums von Erdbeben vorherzusagen.
Vielversprechende Ergebnisse
Diese Programme konnten schnell viele unbekannt klingende Erdbeben erkennen, die später von den Wissenschaftlern bestätigt wurden.
Mehr Verantwortung
Diese selbstlernenden Programme entwickeln sich weiter und können nun weit mehr als nur stille Erdbeben und versteckte Verwerfungen erkennen.
Aktuelle Nutzung
Sie werden bereits überall in Kalifornien eingesetzt, wo sie eine neue Art von lang anhaltenden, sich langsam bewegenden Erdbebenschwärmen entdecken konnten.
Unter der Oberfläche
Auf Hawaii entdeckten die neuen Programme ein bisher unbekanntes Netz von pulsierendem, wanderndem geschmolzenem Gestein unter zwei aktiven Vulkanen. Herkömmliche seismische Analysemethoden waren nicht in der Lage, diese verborgene Aktivität zu erkennen.
Warnsystem
Mit der Weiterentwicklung dieser Programme könnten sie genutzt werden, um die Geschwindigkeit und Genauigkeit von Erdbebenfrühwarnsystemen zu verbessern. Ross sagt: "Das ist Lichtjahre von dem entfernt, was wir noch vor ein paar Jahren konnten."
Technische Beobachtung
Im für Erdbeben anfälligen Tokio wird beispielsweise KI zur Analyse von Bildern aus Kameras an Aussichtspunkten über die Stadt genutzt, um Brände und Gebäudeeinstürze direkt zu erkennen und die Behörden zu informieren.
Vielversprechend
Im September 2023 machten auch Forschende der Universität von Texas Fortschritte in der Vorhersage von Erdbeben. Ein KI-Algorithmus sagte bei einem Versuch in China 70 % der Erdbeben eine Woche im Voraus richtig vorher.
Gute Ergebnisse
Eine weitere Forschungsgruppe aus Israel gab kürzlich bekannt ein selbstlernendes Modell entwickelt zu haben, dass große Erdbeben mit einer Genauigkeit von 83 % 48 Stunden im Voraus vorhersage. Dieses Modell analysiert die Veränderungen im Elektronengehalt in der Ionosphäre in den letzten 20 Jahren.
Menschliche Hand
Ross garantiert, dass trotz dieser Fortschritte KI-Programme menschliche Wissenschaftler nicht ersetzen werden. Er sagt: "Sie sind nur Werkzeuge", die jedoch in der Zukunft genauso wichtig wie Seismografen werden könnten.
Quellen: (National Geographic) (BBC) (Smithsonian Magazine)
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