Die Pariser Kommune: Ein radikales Experiment und seine bleibenden Auswirkungen
Wie kämpften die Nationalgardisten gegen die Dritte französische Republik?
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LIFESTYLE Geschichte
Die Pariser Kommune von 1871 war ein kurzzeitiger Aufstand der französischen Hauptstadt gegen die Dritte Französische Republik. Auch wenn das Ganze nur zwei Monate überdauerte, war dies eines der radikalsten und spaltensten politischen Experimente der europäischen Geschichte. Innerhalb weniger Wochen setzte die Kommune egalitäre und antiklerikale Maßnahmen um und legte damit den Grundstein für zahlreiche Konzepte, die heute als Basis moderner Demokratien gelten. Dazu gehören Frauen- und Arbeiterrechte, die Einschränkung von Kinderarbeit und die Säkularisierung der Schulen. Das hatte jedoch einen großen und tödlichen Preis.
Welche Ereignisse führten denn nun zur Gründung der Pariser Kommune und was passierte dann? Klicken Sie sich durch diese Galerie, um sich in das turbulente und rebellierende Frankreich der frühen 1870er zurückzuversetzen.
Niederlage von Napoleon III.
Die Schlacht von Sedan am 1. und 2. September 1870 während des Deutsch-Französischen Kriegs führte zur Gefangennahme von Napoleon III. und besiegelte damit das Schicksal Frankreichs. Das Zweite französische Kaiserreich stand kurz vor dem Zusammenbruch.
Sieg für Preußen
Mit der Gefangennahme von Napoleon III. zog der siegreiche Norddeutsche Bund, angeführt vom Königreich Preußen, auf Paris.
Der Zerfall des Zweiten Kaiserreichs
Als Kaiserin Eugénie von der Gefangennahme ihres Mannes hörte, floh sie aus der Stadt. Als de facto Herrscherin über Frankreich beschleunigte ihre Abreise das Ende der Regierung des Zweiten Kaiserreichs.
Belagerung von Paris
Der Vormarsch der preußischen Armee auf Paris verlief rasch. Am 19. September 1870 hatten Tausende von deutschen Truppen die "Stadt des Lichts" umzingelt. Die Belagerung von Paris hatte begonnen.
Hoch hinaus
Eine überwältigende Panik setzte ein. Zahlreiche hohe Regierungsbeamte, darunter auch der französische Kriegsminister, und alle, die es sich leisten konnten, versuchten Paris zu verlassen, allerdings auf stilvolle Art und Weise. Sie nutzten Heißluftballons zur Flucht.
Ausrufung der Dritten Republik
In der Zwischenzeit hatten die verbleibenden Regierungsmitglieder die Dritte Republik ausgerufen und eine neue Nationalversammlung gebildet. Adolphe Thiers saß ihr vor.
Die dunklen Tage der "Stadt des Lichts"
Trotz der Einkreisung von Paris setzte sich die neue französische Regierung für die Fortsetzung des Krieges ein, was zu fünf weiteren Monaten der Kämpfe führte, in denen Paris ständig bombardiert und belagert wurde.
Kapitulation
Schließlich handelte Adolphe Thiers, der die Aussichtslosigkeit der Situation erkannte, das Ende des Deutsch-Französischen Kriegs aus. Die Stadt ergab sich am 28. Januar 1871.
Ausrufung des Deutschen Kaiserreichs
Im gleichen Monat wurde im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles das Deutsche Kaiserreich ausgerufen – am gleichen Ort, wo Thiers heimlich den Waffenstillstand mit den Preußen verhandelt hatte.
Aufstieg der französischen Nationalgarde
Während der Belagerung wurde Paris nicht von der französischen Armee, sondern von der lokalen Nationalgarde, der fédéré, verteidigt. Nach der Kapitulation der Stadt schaffte Adolphe Thiers die fédéré ab. Dadurch säte er eine Rebellion, deren Auswirkungen in ganz Frankreich widerhallen sollten.
Es liegt Revolution in der Luft
Die Pariser Arbeiterschaft, die während der Belagerung schlimme Zustände erdulden musste, stellte sich mehrheitlich auf die Seite der revolutionären Teile der Nationalgarde, entgegen der Regierung in Versailles. Am 18. März 1871 beschlagnahmte die fédéré mithilfe von sympathisierenden Teilen der Öffentlichkeit Dutzende Bronzekanonen, die in der Stadt zurückgelassen worden waren und brachten sie in die Viertel der Arbeiterklasse Montmartre, Belleville und Buttes-Chaumont.
Truppen aus Versailles formieren sich
Die Regierung reagierte, indem sie Truppen aus Versailles an problematische Orte entsandte, um die fédéré und ihre Sympathisanten zu entwaffnen. Die Generäle Claude Lecomte und Jacques Clément-Thomas standen an vorderster Front.
Am Rande des Bürgerkriegs
Mit dem Anstieg der Spannung im Laufe des Tages änderten viele der Mitglieder der Truppen aus Versailles ihre Meinung und weigerten sich auf die Zivilisten und Nationalgarde zu schießen. Der 18. März endete mit der Gefangennahme und Hinrichtung von Deserteuren der Versailler Truppen durch Lecomte und Clément-Thomas.
Gründung der Pariser Kommune
Lecomte und Clément-Thomas waren die ersten Todesopfer des scheinbar beginnenden Bürgerkriegs. Als sich die Regierung der Dritten Republik in Versailles ansiedelte, bildeten die Nationalgarde und Radikale der Arbeiterklasse schnell eine lokale Regierung, die Pariser Kommune. Sie gründete sich am 28. März im Hotel de Ville.
Louise Michel und Eugène Varlin
Zu den berühmteren Kommunarden gehörte die aufrührerische Anarchistin und unbezähmbare Rebellin Louise Michel. Sie stürzte sich mit Enthusiasmus in den bewaffneten Kampf gegen die französische Regierung. Eine weitere wichtige Figur war der Sozialist und Vorreiter des Syndikalismus (der Formung von Gewerkschaften der Arbeiter) Eugène Varlin. Er wurde letztlich für seine Verwicklung in die Pariser Kommune hingerichtet. Michel überlebte die Ereignisse im März 1871 und starb am 10. Januar 1905 in Marseille an einer Lungenentzündung.
Barrikaden
Kurz nach ihrer Machtübernahme festigte die Pariser Kommune ihren Griff nach Paris, indem sie die Stadt aufrüsteten. Auf den Straßen wurden Barrikaden aus Pflastersteinen und anderen Materialien gebaut.
Colonne Vendôme gestürzt
Viele Kommunarden hegten einen destruktiven Charakter, der durch die Befürchtung genährt wurde, dass die auf Versailles basierende Regierung nur dem Namen nach eine Republik sein und die Monarchie schnell wieder einführen würde. Ein frühes Ziel des antimonarchistischen Zorns war die Vendôme-Säule, ein zu Ehren Napoleon Bonapartes errichtetes Denkmal. Die Säule wurde vor den Augen einer begeisterten Menge in Schutt und Asche gelegt.
Abriss von Adolphe Thiers Haus
Ein weiteres Ziel der Pariser Bewohner war das Wohnhaus des verachteten Adolphe Thiers. Sein Privatbesitz wurde geplündert und anschließend mit unverhohlenem Eifer abgerissen. Aber Versailles war bereit zurückzuschlagen.
Bereit für den Krieg
Angeführt von Marschall Patrice Maurice de Mac-Mahon machte sich die Versailler Armee zu einem Angriff auf Paris Anfang Mai 1871 bereit. Die Barrikaden wurden vorbereitet.
Die Kommunarden verteidigen Paris
Die Pariser Kommune rief die gesamte Stadt zu den Waffen. Die Barrikaden an strategischen und symbolischen Punkten der Stadt, wie hier am Place de la Concorde, wurden mit zusätzlichen Männern besetzt.
Die blutige Maiwoche beginnt
Bis zum 21. Mai rückten mehr als 50.000 Soldaten bis zum Champs-Elysées vor. Noch am selben Tag fanden die ersten Straßenschlachten statt. Dies wurde zum Beginn der "blutigen Maiwoche".
Chaos
Die blutige Maiwoche vom 21. bis zum 28. Mai zeichnete sich durch ein Durcheinander und Terror aus. Und durch Massenmord!
Jaroslav Dombrowski
Als einer der wenigen Kommunarden mit militärischer Erfahrung, führte Jaroslav Dombrowski, ein polnischer Adliger und ehemaliger Offizier der Russischen Armee, die Verteidigung der Pariser Kommune an. Dombrowski fiel am ersten Tag der blutigen Woche, am 21. Mai, auf den Barrikaden.
Massaker in der Kirche
Die Regierungstruppen gingen gnadenlos gegen die Aufständischen vor. Ein schreckliches Beispiel dafür ist die Einkreisung von 300 mutmaßlichen Kommunarden und das Massaker in der Kirche La Madeleine.
Feuer im Tuilerien-Palast
Die fédéré schlugen ebenso gnadenlos zurück, indem sie systematisch Regierungsgebäude in der ganzen Stadt plünderten und niederbrannten. In einem Versuch, die Geschichte auszulöschen, die sie verachteten, wurde der Tuilerien-Palast am 23. Mai von den Kommunarden in Brand gesetzt.
Weitere historische Gebäude im Visier
Einige der Zerstörungen wurden von furchtlosen Fotografen festgehalten, die während der blutigen Woche ihr Leben riskierten. Hier ist das Feuer des Justizpalastes durch die Linse von Hippolyte Blancard, Apotheker und Hobby-Fotograf, zu sehen.
Paris brennt
Der Palais d'Orsay, die Richelieu-Bibliothek des Louvre und Dutzende anderer historischer Gebäude wurden von Gardisten in Brand gesteckt. Paris brannte und war in eine dichte, beißende Rauchwolke gehüllt.
Letzte Verzweiflungstaten
Das Hotel de Ville, wo sich nur zwei Monate zuvor die Pariser Kommune zur Planung zusammengefunden hatte, wurde von den Kommunarden selbst in Brand gesteckt. Eine letzte Verzweiflungstat derer, die wussten, dass sie verloren hatten.
Die Kommunardenmauer
Als die Woche zum Ende kam, wurde eine letzte schreckliche Karte ausgespielt, als bis zu 150 Kommunarden von einem Todeskommando im Père Lachaise Friedhof umgebracht wurden. Die Mur des Fédérés, die Kommunardenmauer, erinnert heute mit einem Monument an die Ereignisse (Bild).
Der Fall der Pariser Kommune
Die Pariser Kommune fiel am 28. Mai 1871. Bis zu 100.000 Menschen sind wahrscheinlich während der Verdrängung der Kommunarden gestorben, allein 30.000 während der blutigen Maiwoche. Marschall de Mac-Mahon, der die Versailler Truppen nach Paris geführt hatte, diente von 1875 bis 1879 als Staatspräsident der Französischen Republik. Die Dritte Republik hielt bis 1940 an, als sie von den Nazis besiegt und unter das Vichy-Regime gestellt wurde.
Quellen: (History) (Library of Congress) (Britannica)
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