Welche Berufe waren im 19. Jahrhundert besonders gefragt und welche wollte niemand haben?
Die besten und schlimmsten Jobs der viktorianischen Ära
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Die viktorianische Ära, die ungefähr von 1820 bis 1914 dauerte und grob mit der Regierungszeit von Königin Victoria (1837–1901) übereinstimmt, verwandelte Großbritannien von einer ländlichen, agrarischen Gesellschaft in eine städtische, industrielle. In dieser Zeit gab es enorme technologische Fortschritte, die viele hochspezialisierte Arbeitsmöglichkeiten schufen. Doch gleichzeitig herrschte in Großbritannien große Armut, und viele Menschen mussten gefährliche und schlecht bezahlte Jobs annehmen, um über die Runden zu kommen. Welche Berufe waren damals besonders begehrt, und welche wollte niemand machen?
Klicken Sie sich durch die angesehensten und die am meisten verachteten Jobs der viktorianischen Ära.
Am angesehensten: IngenieurIn
Einige der größten technologischen Fortschritte wurden im viktorianischen Zeitalter erzielt, insbesondere das Dampfschiff, die Eisenbahn und der elektrische Telegraf. Ein Ingenieur zu sein, der mit einer dieser neuen Kommunikationstechnologien zutun hatte, war sehr angesehen.
Am angesehensten: Krankenschwester
Krankenschwestern genossen in der viktorianischen Gesellschaft hohes Ansehen. Die damalige Regierung unterstützte Krankenschwestern und Hebammen und ihre außergewöhnliche Arbeit, der Bevölkerung eine erstklassige Pflege zu bieten. Die berühmteste Krankenschwester der Welt, Florence Nightingale, lebte während der viktorianischen Ära.
Am angesehensten: LehrerIn
Während der viktorianischen Zeit waren es größtenteils die Reichen, die eine Ausbildung machen konnten. Die "untere Bildungsschicht" zu unterrichten galt als Zeitverschwendung. Nichtsdestotrotz war dieser Lehrberuf angesehen und die Ära brachte große Entwicklungen im Bildungsbereich mit sich, wodurch die Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung um die Wende des 20. Jahrhunderts enorm anstieg.
Am angesehensten: HutmacherIn
Im viktorianischen Zeitalter arbeiteten viele Frauen in Fabriken. Einer der ruhigeren und etwas kreativeren Berufe war das Hutmachen. Von Hand gefertigte Herren- und Damenhüte waren gern gesehen und damit auch der Beruf.
Am besten: Keramik-HerstellerIn
In Töpferfabriken gab es mehrere Werkstätten, in denen erfahrene ArbeiterInnen beispielsweise Vasen oder Dekorationsgegenstände herstellten. Schockierend: Kinder mussten damals das Rohmaterial aus unbeheizten Werkstätten in die heißen Trockenräume hin und her transportierten.
Am angesehensten: DoktorIn
Im Gegensatz zu Chirurgen machten sich Ärzte und Mediziner selten die Hände schmutzig. Der medizinische Bereich entwickelte sich im 19. Jahrhundert rasant weiter, und die Viktorianer legten großen Wert auf die Erforschung der Physiologie des Körpers, seiner inneren Organe und ihrer Verbindung zum gesamten Körper.
Am angesehensten: Geistlicher
Im viktorianischen Zeitalter war die Kirche das Zentrum der Gemeinde und der Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens. Religiöse Führer stammten in der Regel aus dem Adel. Geistlichen wurde in der Regel eine Residenz sowie ein jährliches Stipendium gewährt – ein fester, regelmäßiger Betrag, der als Gehalt oder als Spesen gezahlt wurde.
Am angesehensten: LadenbesitzerIn
Der Ladenbetrieb blühte in dieser Zeit auf. Die meisten Geschäfte waren klein und gehörten einer Person oder einer Familie. Die Beschäftigten im Ladengeschäft erhielten oft den Spitznamen "Schürzenbrigade", da sie stets in dieser Schutzkleidung arbeiteten.
Am angesehensten: Dienstmädchen
Eine Dienstmagd oder Hausangestellte war dafür verantwortlich, das Haus ihres Arbeitgebers sauber und in Ordnung zu halten. Hausangestellte, die für Mätressen arbeiteten, wurden oft aus dem örtlichen Arbeitshaus "gerettet" und hatten es in diesem Sinne geschafft, einige Schritte auf der sozialen Leiter zu machen. Aber nur wenige.
Am angesehensten: BuchhalterIn/SachbearbeiterIn
Im 19. Jahrhundert war London das Zentrum des weltweiten Banken- und Finanzwesens. Wer ein Gespür für Zahlen hatte, entschied sich oft für eine Karriere im Rechnungswesen. Sogar ein einfacher Angestellter konnte seinen Lebensunterhalt anständig verdienen. Aufgrund von Vorurteilen waren 99 % dieser Positionen mit Männern besetzt.
Am angesehensten: Butler
Ein Butler war im viktorianischen Zeitalter der oberste Diener und leitete ein Team von Haushaltshilfen. Zu den Aufgaben eines Butlers gehörte es, bei den Mahlzeiten am Tisch zu warten, sich um den Weinkeller zu kümmern, sich um das Familiensilber zu kümmern und das Haus nachts abzuschließen. Um seine Position hervorzuheben, trug ein Butler eine schwarze statt einer weißen Krawatte.
Am angesehensten: Diener
Als Diener einer wohlhabenden Familie der Oberschicht wurde man sehr geschätzt. Zu den Aufgaben gehörte es, die Dame des Hauses auf Einkaufstouren zu begleiten und den Butler bei seinen Hausaufgaben zu unterstützen.
Am angesehensten: Politiker
Für einen Sitz im Parlament konnten nur Angehörige der Oberschicht kandidieren, Frauen schon gar nicht. Es war ein schöner Job, wenn man ihn bekommen konnte, aber Politiker waren im Wesentlichen Personen, die den Job aufgrund von Vetternwirtschaft bekamen.
Am angesehensten: Näherin
Während der viktorianischen Zeit galt das Nähen als weibliche Eigenschaft und als eine Fähigkeit, die von Frauen aller Klassen ausgeübt wurde. Wenn man Glück hatte und aus der Mittelschicht stammte, konnte eine Näherin einen angemessenen Lebensunterhalt verdienen, indem sie privat für einen wohlhabenden Haushalt arbeitete. Allerdings arbeiteten die meisten von ihnen für einen Hungerlohn.
Am angesehensten: WissenschaftlerIn
Das viktorianische Zeitalter war eine Zeit ernsthafter wissenschaftlicher Entdeckungen und Erfindungen. Das Röntgen, die elektrische Glühbirne und die Fotografie gehörten zu den Erfindungen, die die Gesellschaft veränderten. Ein erfolgreicher Wissenschaftler, der in dieser Zeit arbeitete, galt als talentierter Visionär, obwohl viele religiöse Menschen vor wissenschaftlichen Experimenten Angst hatten.
Am schlimmsten: Chirurg
Im viktorianischen Zeitalter als Chirurg zu arbeiten war oft eine undankbare Aufgabe. Operationssäle galten als "Tore zum Tod", da die Hälfte derjenigen, die sich einer Operation unterzogen, diese Erfahrung nicht überlebte. Chirurgen waren oft schlecht für die jeweilige Aufgabe gerüstet, viele hatten sogar keinen Universitätsabschluss.
Am schlimmsten: Kohlebergmann
Obwohl der Bergbau harte Arbeit und gefährlich war, wurde die Arbeit unter Tage im Vergleich zu anderen manuellen Arbeiten relativ gut bezahlt. Ein anständiges Gehalt war ein kleiner Trost für diejenigen, die häufigen Überschwemmungen, gefährlichen Gasen und einstürzenden Tunneln ausgesetzt waren. Und wenn man das alles überlebt hatte, dann war die Wahrscheinlichkeit leider hoch, später im Leben an einer Atemwegserkrankung oder an Krebs zu erliegen.
Am schlimmsten: Werftarbeiter
Der Schiffbau war im 19. Jahrhundert ein großes Geschäft. Aber Ausrutscher und Stürze, Brände, die Einwirkung giftiger Gase und Gefahren durch Maschinen machten die viktorianische Werft zu einer der gefährlichsten Baustellen der Ära.
Am schlimmsten: Streichholzherstellerin
Im viktorianischen Zeitalter wurden Streichhölzer von Hand hergestellt. Eine Arbeitsgruppe aus Frauen und Mädchen schnitt das Holz in dünne Streifen und überzog die Enden dann mit weißem Phosphor – einer äußerst gefährlichen und giftigen Chemikalie. Viele erlagen dem Phossy-Kiefer, einer schrecklichen Industriekrankheit, bei der die Opfer Zahnschmerzen, Abszesse, geschwollenes Zahnfleisch und schließlich eine Gesichtsentstellung und manchmal tödliche Hirnschäden erlitten. Der berühmte Streik der Streichholzmädchen im Juli 1888 trug in gewisser Weise zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einer Erhöhung der Löhne bei.
Am schlimmsten: Wäscherin
Im viktorianischen Zeitalter erforderte die Wäschereiarbeit ein solides Rückgrat und starke Armmuskeln. Das Waschen von Kleidung war im 19. Jahrhundert ein mühsamer Prozess. Und nachdem eine Wäscherin die nasse Wäsche mit einer Mangel ausgewrungen hatte, musste sie sie anschließend bügeln und zu einem ordentlichen Stapel falten.
Am schlimmsten: Klopfer
Klopfer wurden eingesetzt, um die Arbeiter im industriellen Großbritannien aufzuwecken. Als menschliche Wecker klopften Klopfer mit langen Stangen an die Fenster der Menschen, um die Bewohner (Früharbeiter wie Ärzte, Markthändler und Fahrer) aufzuwecken. Die Praxis nahm zu Beginn des 20. Jahrhunderts ab, als Wecker erfunden wurden.
Am schlimmsten: Rattenfänger
Ein Rattenfänger hat genau das getan: Schädlinge aufgespürt und gefangen. Die Arbeit war damals wichtig, um Lagerhäuser, Scheunen oder Häuser von Schädlingen zu befreien. Allerdings musste ein Rattenfänger dafür auch in die dunklen, stinkenden Tiefen der städtischen Abwasserkanäle und zu all den bösen Krankheiten, die dort lauerten.
Am schlimmsten: Tosher ("Kanaljäger")
Ebenfalls unter der Erde arbeiteten Menschen, die Unmengen an Abwasser in der Kanalisation durchsuchten um etwas Wertvolles zu finden, das sie aufsammeln und zu den örtlichen Pfandleihhäusern bringen konnten. Zum Beispiel ein Stück Silberbesteck oder die eine oder andere Münze.
Am schlimmsten: Schornsteinfeger
Im viktorianischen Zeitalter arbeiteten etliche Schornsteinfeger und noch häufiger übten Kinder diese schmutzige und gefährliche Arbeit aus. Zu den Verletzungen gehörten gebrochene oder verdrehte Knochen, außerdem waren Erkrankungen der Augen und der Lunge ein Berufsrisiko.
Am schlimmsten: Pure Finder ("Reiner Finder")
Lassen Sie sich nicht von der harmlos klingenden Stellenbeschreibung in die Irre führen. Ein reiner Finder war jemand, dessen Aufgabe es war, die Straßen großer Städte zu durchkämmen und von Hundekot sauber zu machen, der damals zur Lederherstellung in der Gerbereiindustrie verwendet wurde. Leder war im viktorianischen Zeitalter sehr gefragt und je mehr Hundekot gesammelt wurde, desto größer waren die Chancen, einen guten Lebensunterhalt zu verdienen.
Am schlimmsten: Mudlark ("Schmutzfink")
Im viktorianischen Zeitalter war der Mudlark, zu Deutsch übersetzt: Schmutzfink, eine eher liebevolle Bezeichnung für ein Kind, das bei Ebbe den Flussschlamm durchsuchte, um alles zu bergen, was sich zu verkaufen lohnte, Dinge wie Lumpen, Treibholz, Münzen und andere Gegenstände von potenziellem Wert.
Am schlimmsten: Blutegelsucher
Eine weitere unerwünschte Arbeit im viktorianischen Zeitalter war das Sammeln von Blutegeln. Ein Blutegelsucher watete durch schmutzige Teiche auf der Suche nach parasitären Würmern, die von der Ärzteschaft als Methode zum Aderlass eingesetzt wurden. Die Industrie wuchs so weit, dass Blutegelfarmen (im Bild) gegründet wurden.
Am schlimmsten: Crossing Sweeper ("Kreuzungskehrer")
Ein sogenannter "Crossing Sweeper" war eine Person, die als Straßenkehrer arbeitete und als Gegenleistung für ein Trinkgeld einen Weg vor Leuten wischte, die über schmutzige städtische Straßen fuhren. Kinder griffen am häufigsten zum Besen, aber auch Erwachsene fühlten sich gezwungen, diese Aufgabe zu übernehmen, wenn sie keinen besseren Job fanden.
Am schlimmsten: Hafenarbeiter
Niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten prägten das Leben der viktorianischen Hafen- und Werftarbeiter. Hafenarbeiter arbeiteten unter den schlechtesten Bedingungen in der Industrie, wo viele als Gelegenheitsarbeiter beschäftigt waren.
Am schlimmsten: Piercer
Piercer waren Kinder, die in Textilfabriken arbeiteten und dafür verantwortlich waren, gebrochene Fäden in den Maschinen schnell zusammenzubinden. Das war eine gefährliche Beschäftigung. Eine falsche Bewegung und ein Arm oder ein Bein war ab.
Quellen: (FamilySearch) (Royal College of Surgeons)
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