Das digitale dunkle Zeitalter steht uns kurz bevor, aber worum geht es?
Mit dem Verschwinden von Online-Archiven geht auch unsere Geschichte verloren
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LIFESTYLE Internet
Das Internet ist wie eine riesige Bibliothek voller Geschichte, wo sich die Gegenwart mit der Vergangenheit vermischt und alles formt, was wir über die Menschheit wissen. Im World Wide Web ist alles von Gesprächen über Fotos bis hin zu Artikeln zu finden. Das bleibt jedoch nicht für immer. Denn die digitale Landschaft, wie wir sie kennen, bröckelt, und fast alles, was das Archiv unserer Welt ausmacht, geht mit ihr unter. Mit jedem abgelaufenen Link, jedem gelöschten Konto und jedem verlorenen Server löst sich das Internet still und leise auf.
Dies wird als digitales dunkles Zeitalter bezeichnet, in dem durch unsere Technologie aus unserem kollektiven Gedächtnis digitale Lücken entstehen. Was ist die Ursache für diese seltsame neue Ära? Und wie können wir es rückgängig machen? Klicken Sie sich durch diese Galerie, um mehr herauszufinden.
Die digitale Apokalypse
Seit vielen Jahren weisen ExpertInnen darauf hin, dass der rapide Zerfall des Internets große Probleme für die Zukunft des Planeten bedeuten könnte. Wir scheinen dieser "digitalen Apokalypse" immer näher zu kommen, denn sie könnte bereits kurz bevorstehen.
Der Anfang vom Ende
2024 entschied sich Google dafür seinen URL-Verkürzungsdienst einzustellen, der einst kurze, nutzerfreundliche Versionen von Links zu Webseiten bildete. Mit dem Verschwinden dieser verkürzten Links werden große Teile von Internetinhalten unerreichbar, was nur der Anfang eines weiter verbreiteten digitalen Verlusts ist.
Webhistorie verschwindet
Mit dem Verschwinden digitaler Archive verblasst auch unsere Online-Historie. Links und Webseiten werden langsam stillgelegt und die gesamten historischen Aufzeichnungen des Internets würden praktisch verschwinden.
Soziale Netzwerke
Auch soziale Netzwerke und Seiten für digitalen Journalismus werden verschwinden und damit Artikel und Infoseiten unwiederbringlich gelöscht. Die Zunahme von toten Links (wenn URLs ausfallen) trägt zum Zusammenbruch der zugänglichen Online-Informationen bei, was sich mit der Zeit noch verstärken wird.
Die verschwindende Cloud
Das Internet ist zu unserem meist genutzten Archiv geworden, wo Geschichte und Kultur gespeichert werden. Die Cloud (in der die meisten Menschen ihre Fotos und wichtigen Dokumente speichern) könnte verschwinden, wenn der Server abgeschaltet wird.
Bibliothek von Alexandria
Ähnlich wie beim Brand der Bibliothek von Alexandria 48 v. Chr. der Großteil des Wissens der antiken Welt verloren ging, könnte das Verschwinden digitaler Archive zum Zerfall des Internets beitragen. Die möglichen historischen Verluste wären enorm und die Menschheit bewegt sich auf einen Punkt zu, an dem sich unsere Aufzeichnungen in Luft auflösen.
Wie stark ist der digitale Zerfall?
Studien zeichnen ein düsteres Bild: Die Hälfte aller Hyperlinks in Fällen des Obersten Gerichtshofs der USA schlagen fehl und fast 25 % der 2,2 Millionen Hyperlinks zu Artikeln der New York Times sind kaputt. Und dieses Problem breitet sich auf das gesamte Netz aus.
Kulturelles Gedächtnis bedroht
Digitale Inhalte haben traditionelle Archive ersetzt, was das Internet zu unserem hauptsächlichen Speicher von Kultur und Erinnerung gemacht hat. Wenn das Internet stirbt, werden Teile unserer Geschichte und unseres Verständnisses gelöscht.
Alte Medien vs. neue Verluste
Während in Bibliotheken echte Zeitungen, Bücher und Filme aufbewahrt werden, gehen viele Online-Archive verloren, da sie keinen physischen Ort haben, an dem Informationen gelagert werden. Es ist heutzutage so gut wie unmöglich, erloschene digitale Artikel oder Videos zu finden.
Gelöschte Unterhaltungsarchive
Online-Archive für Unterhaltung (darunter etwa Shows von MTV und Comedy Central) sind aufgrund von Eigentumsveränderungen verschwunden. Selbst beliebte Seiten wie Cartoon Network, Yahoo Groups und Friendster sind verschwunden und mit ihnen Jahrzehnte digitaler Kultur.
Verschwundene Spielehistorie
Spiele, die auf veralteten Computersystemen liefen, sind heute nur noch Erinnerungen. Wenn es keinen Zugang mehr dazu gibt, geht die Spielehistorie verloren. Die Menschheit wird sich immer mehr der Anfälligkeit von rein digitalen Medien bewusst.
Fragile digitale Speicher
Festplatten halten nicht für immer. Die, die von der Musikindustrie vor dem digitalen Zeitalter in den 1990ern benutzt wurden, fallen nun auseinander.
Persönliche Daten
Private Fotos, E-Mails und digitale Dokumente, die sich auf alten Speichermedien befinden, sind häufig nicht mehr abrufbar, da sie mit der modernen Technik nicht mehr zugänglich sind. Mit der Zerstörung dieser Medien gehen Erinnerungen und persönliche Geschichte für immer verloren.
Wayback Machine
1996 wurde der Onlinedienst Wayback Machine gegründet, der digitale Kopien von Webseiten sammelt und speichert. Der Dienst gehört heute zum Internet Archive, das von Mark Graham geleitet wird. Die Wayback Machine ist einer der letzten Kämpfer für den Schutz digitaler Kultur.
Bedrohte digitale Geschichten
Die Wayback Machine speichert automatisch über eine Milliarde URLs pro Tag. Und diese Arbeit ist wichtig. 2017 wurden davon rund 5.000 Videos eines Youtube-Kanals gespeichert, der von Rohingya Aktivisten betrieben wurde, die einem Völkermord zum Opfer fielen.
Bezahlschranken
Die Wayback Machine wird bei akademischen oder journalistischen Artikeln häufig von Bezahlschranken behindert. Forschung und Journalismus (der häufig aus öffentlichen Geldern bezuschusst wird) ist größtenteils zugangsbeschränkt und viele zukünftige Generationen könnten vielleicht gar nichts mehr von ihrer Existenz wissen, wenn das Internet weiter zerfällt.
Künstliche Intelligenz
Auch KI stellt für das Internet eine neue Bedrohung dar. Viele Seiten versperren nun sowohl der KI als auch digitalen Archiven den Zugriff. Diese Barrieren für den digitalen Erhalt nehmen die Löschung von Geschichte in Kauf und tragen damit unabsichtlich zur Beschleunigung des digitalen dunklen Zeitalters bei.
Kulturelle Erinnerung
Archive speichern nicht nur Informationen, sondern definieren die Erinnerung einer Gesellschaft. Wenn diese Aufzeichnungen verloren gehen, besteht das Risiko einer kulturellen Amnesie, was das Verständnis unserer Vergangenheit erschwert, da essenzielle Teile der menschlichen Geschichte verloren gehen.
Unternehmenseigentum
Private Unternehmen (denen Profit häufig wichtiger ist als Erhalt) kontrollieren große Teile des Internets. Sie werden wahrscheinlich digitale Aufzeichnungen nicht auf unbestimmte Zeit aufbewahren.
Die Rolle des Selfies in der Wissenschaft
Selbst Fotos und Selfies sind bedroht. Vor 15 Jahren führte die Forscherin Loren McClenachan eine Studie durch, um herauszufinden, ob Fische immer kleiner werden. Wie sich herausstellte, waren physische Fotos, die Menschen von ihrem Fang machten, die Lösung für die Studie. Mit den heute rein digital gespeicherten Fotos wäre dies unmöglich.
Shifting-Baseline-Syndrom
Wenn Aufzeichnungen verschwinden, kommt das Shifting-Baseline-Syndrom zum Tragen. Wenn keine Daten zugänglich sind, gehen die Menschen davon aus, dass das, was heute normal ist, auch in der Vergangenheit so war.
Kontrolle der Unternehmen
Wenn sich die Menschen für die Speicherung persönlicher Erinnerungen auf Geräte verlassen, bedeutet dies, dass Unternehmen ihre Geschichte kontrollieren. Das Schicksal der Daten wird dabei von den Prioritäten der Unternehmen und nicht vom Erhalt der Kultur bestimmt, was die persönlichen und geschichtlichen Erinnerungen der Menschen gefährdet.
Selbstauferlegte Löschung
Unsere Wahl, uns auf digitale Geräte zu verlassen, führt zu selbstauferlegter kultureller Amnesie. Durch das Speichern von Leben und Geschichten ohne dauerhafte Back-ups entscheidet sich die Gesellschaft sich letztlich dafür, ihre Vergangenheit zu vergessen.
Dunkles Zeitalter
Genau wie es im frühen Mittelalter 500 Jahre lang kaum historische Aufzeichnungen gab, könnte das digitale dunkle Zeitalter modernes Wissen auslöschen. Unsere Gesellschaft könnte zu einem vergessenen Kapitel in der Geschichte der Menschheit werden.
Ausgesperrt
Das Internet steckt außerdem voller Seiten, die keinen freien Zugang zu ihrem Code bieten. Plattformen wie X (ehemals Twitter) erlaubten ihren Nutzern einst unter der Oberfläche Forschung zu öffentlicher Gesundheit oder Naturkatastrophen zu betreiben. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Wahlen
Sogar Wahlen sind vom digitalen dunklen Zeitalter bedroht. Einst wurden Plattformen der sozialen Medien zur unabhängigen Beobachtung für Anzeichen auf Wahlmanipulation genutzt. Änderungen im Zugriff auf die Daten (sowie der Aufstieg von KI) erschweren dies jedoch.
Der verschwindende Fußabdruck der Gesellschaft
Eine nach-literarische Gesellschaft hinterlässt nur sehr wenig für zukünftige Generationen. Wenn sich die Moderne weiterhin rein auf digitale Technologien beschränkt, könnten sich die Archäologen der Zukunft mit dem gleichen Mangel an Informationen konfrontiert sehen wie bei vorschriftlichen Gesellschaften.
Erhalt
Der größte Schritt, um einem digitalen dunklen Zeitalter vorzubeugen, sind regelmäßige Back-ups auf mehreren leicht kopierbaren Geräten (wie Festplatten), selbst wenn es sich dabei nur um persönliche Fotos und Medien handelt.
Papierausdrucke
Noch besser sind Papierausdrucke, die nicht auf digitale Formate angewiesen sind. Physisch aufbewahrte Erinnerungen und Geschichte könnten sich falls (oder wenn) das Internet zusammenbricht als hilfreich erweisen.
Quellen: (Business Insider) (Wired)
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