Der britisch-indische Wissenschaftler J.B.S. Haldane arbeitete in den Bereichen Genetik, Physiologie, Evolutionsbiologie und Mathematik. Er prägte den Begriff "Klon" und stellte die Theorie der "Ursuppe" auf.

Im Jahr 1923 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel "Daedalus, or Science and the Future" (Daedalus oder die Wissenschaft und die Zukunft), in dem er erforschte, wie der Fortschritt in allen Bereichen von der menschlichen Fortpflanzung über die Genetik bis hin zur Energieerzeugung aussehen könnte.

Das Buch wurde zu einer Sensation und beeinflusste viele Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Aktivisten und Politiker – sogar Winston Churchill.

Das Buch war ein so großer Erfolg, dass sein Verleger beschloss, mehr als 100 Folgebände zu drucken. Diese Reihe trug den Titel "To-day and To-morrow."

Eine Auswahl von Intellektuellen, Schriftstellern und Visionären nahm an der Reihe teil, die bis in die 1930er Jahre lief. Sie stellten sich vor, wie Wissenschaft und Technik in der Zukunft aussehen könnten.

Die Themen beschränkten sich jedoch nicht auf Wissenschaft und Technik. Sie umfassten ein breites Spektrum an Bereichen wie: Frauen, Religion, Justiz, Zensur, Familie, Alkohol, Schlaf und Fluchen.

Nach der Entdeckung der Relativitätstheorie durch Albert Einstein sah Haldane die Zukunft der Physik in den Ingenieurwissenschaften.

Haldane war Biochemiker und glaubte, dass es in diesem Bereich der Wissenschaft in den kommenden Jahren spannende Entwicklungen geben würde.

Daedalus war ein Erfinder in der griechischen Mythologie. Für Haldane war er der erste Gentechniker, da er jene Entdeckung machte, die es ermöglichte, einen Minotaurus (halb Mensch, halb Stier) zu erschaffen.

Haldane stellte sich eine Zukunft vor, in der der Mensch gelernt hat, in die Evolution einzugreifen, und sah die Möglichkeit der genetischen Veränderung voraus.

Haldane stellte eine Vorhersage fest, die er "Ektogenese" nannte. Mit dieser Theorie sagte er die Möglichkeit einer Trächtigkeit des menschlichen Embryos außerhalb des physischen Körpers voraus.

Er war der Meinung, dass künstliche Gebärmütter oder Maschinenwirte bis 1951 im Einsatz sein könnten. Obwohl es noch eine Weile dauert, wurde bereits 2017 an Schafen eine künstliche Gebärmutter getestet, um Frühgeborene zu versorgen.

Und nicht nur das: "Daedalus" sagte Windenergie, Hormonersatztherapie, schnellen Transport und Kommunikation sowie die Klimakatastrophe voraus.

"Daedalus" basierte auf einem Vortrag, den Haldane zum ersten Mal vor einer Diskussionsgruppe, den Cambridge Heretics, hielt. Deren Organisator, C.K. Ogden, brachte Haldane mit dem Verleger Kegan Paul in Verbindung.

Ogden schlug seinem Freund, dem Philosophen Bertrand Russell, vor, eine Antwort auf "Daedalus" zu schreiben. Im Jahr 1924 wurde "Ikarus oder die Zukunft der Wissenschaft" veröffentlicht.

Russells Antwort in "Ikarus" war viel pessimistischer als der Ton in "Daedalus". Er sah voraus, dass der wissenschaftliche Fortschritt dazu benutzt werden würde, die Interessen der Mächtigen auf Kosten des menschlichen Glücks zu fördern.

Später in der Reihe schrieb Bertrand Russells Frau Dora ein feministisches Buch über die Bedeutung der Erziehung von Frauen, ihre Sexualität zu genießen, was für die damalige Zeit ziemlich schockierend war.

Oliver Stewart, der Autor von "Aeolus" (1927), war der Meinung, dass wir in Zukunft Autogyros für Kurzstreckenflüge einsetzen würden, da die damaligen Hubschrauberprototypen nicht vielversprechend aussahen. Auch wenn er sich irrte, hatte er doch recht, was die Zukunft der Rotoren für Kurzstreckenflüge anbelangt.

Ein junger Röntgenkristallograph, J.D. Bernal, stellte sich die möglichen Entwicklungen vor, wenn die Menschheit in der Lage wäre, ihre Grenzen zu überwinden. Seine Arbeit über "The Flesh" ist vielleicht die alarmierendste.

Er stellte die Idee vor, den menschlichen Körper in eine Maschine einzubauen. Dieser Wirt würde uns schneller und stärker machen, uns länger am Leben erhalten und uns zusätzliche Sinne verleihen.

In "The World" stellt er sich vor, dass die Menschen in den Weltraum und auf andere Planeten reisen, insbesondere wenn die Ressourcen der Erde zur Neige gehen.

Bernal stellt sich riesige Biosphären vor, die in der Lage sind, auf ihren Reisen durch den Weltraum ganze Gemeinschaften über immense Entfernungen zu transportieren.

Er untersuchte auch die Idee einer menschlichen Rasse, die auf drahtlose Weise miteinander verbunden ist, was ihn zu dem führt, was Science-Fiction-Autoren die Idee einer "Superintelligenz" oder eines "Hive Mind" nennen.

Die Krankenschwester und Schriftstellerin Vera Brittain verfasste das Buch "Halcyon" (1929). Darin befasste sie sich mit der Zukunft von Beziehungen sowie mit den Rechten der Frauen und den entsprechenden Gesetzen, die diese widerspiegeln sollten.

Sie schlug auch so etwas wie einen Film-Streaming-Dienst vor, damit sich die Menschen in monogamen Beziehungen nicht langweilen und potentiell ihren Partner betrügen!

Lionel McColvin, Autor von "Euterpe" (1926), überlegte, wie sich die mechanische Reproduktion von Musik auf die Beschäftigung mit der Kunst auswirken würde.

Die Serie "To-day nad To-morrow" war zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung äußerst kontrovers. Die vorgestellten Ideen waren eine Erkundung der Möglichkeiten für die Zukunft, wobei der Schwerpunkt darauf lag, wie sich diese Fortschritte auf das tägliche Leben auswirken würden.

Die Philosophie der Reihe war, dass neue Ideen notwendig sind, um die Gesellschaft zu verbessern. Das Herausarbeiten ihrer Auswirkungen und möglichen Folgen ermöglichte es den Autoren, ein "Gedankenexperiment" durchzuführen.

Obwohl die Buchreihe bereits vor 100 Jahren veröffentlicht wurde, ist sie insofern bemerkenswert, als sie den Autoren Raum gab, die wildesten Ideen zu untersuchen. Sie beschränkten sich nicht darauf, die Auswirkungen des Fortschritts auf das alltägliche Leben durch die enge Brille von Themen wie Klimawandel, Wirtschaft, Arbeitsleben oder Technologie zu betrachten, die wir in den heutigen Analysen häufiger sehen.

Quelle: (BBC Future)

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